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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
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Höllenmaschine neben mir zum Halten kommt; die Ketten klirren, rasseln.
    Hydraulisch schwingen die Flügeltüren vor und nach oben: Morlock am Steuer, den Schwulst aus Teleobjektiven und Abhörwanzen unverwandt nach draußen gerichtet – eines der Teleskope schraubt sich nach vorn, als er mir doch sein Gesicht zudreht. Und hinten, im Fond: Argus, das dritte der Augen, dessen Kopf vollständig mit Fotozellen verkachelt ist, Sechseck an Sechseck, von Statik durchrauscht; und als ich mich neben ihn hinsetze, entstehen groteske Spiegeleffekte, bis ich meine Ölhaut abdunkle. »Ihr seid spät. Mein Zeitplan lässt keine Verzögerung zu.«
    »Massenkarambolage am Kaiserring«, schnarrt Morlock und wirft die Heckturbinen an. Der Andruck presst mich hart in den Sitz – Fehlpixel; von allen Seiten umwirbeln mich Punkte wie Schnee, ehe es besser wird. Frontal rollt der Panzer durch den Abendverkehr, rammt Fahrzeuge, die nicht rechtzeitig ausweichen können. Vorne springt eine Ampel auf Rot, was Morlock nur dazu antreibt, mehr Gas zu geben:
    Ein Knall, und Metallsplitter sprühen am Fenster vorbei, dann liegt die Kreuzung hinter uns, und wir jagen durch Straßenkluften, kafkaesk und kaum Licht, während die Wolkenkratzer in die Höhe wachsen:
    Einkaufsviertel;
    Bankenviertel;
    Konzernbereich Zone A, maximale Sicherheitsstufe.
    Noch wenige Meter … Jetzt! Als der Wagen eine Auffahrt erklimmt und der Schwarm, der uns folgt, nach unten stößt – da gleitet es hinter einem Büroturm hervor, umrahmt von bleigrauen Wolken: das Sternberg, Nervenzentrale der Stadt. Dort wird er zuschlagen. In einunddreißig Minuten, exakt.
    Breaking News
    Das Energiezentrum Neu-Wattenscheid beging gestern Abend mit einem Festakt sein zehnjähriges Jubiläum. Dr. von Salew, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, erklärte, der Kernreaktor versorge nunmehr seit einer Dekade das Ruhrgebiet mit sauberer Energie. Damit werde der Energiebedarf einer modernen Metropole bislang ohne nennenswerte Zwischenfälle preisgünstig gedeckt. Besonnene Polizeikräfte hielten vor dem Energiezentrum mühelos eine Handvoll ewiggestriger Demonstranten auf Distanz.
    Singh
    Nur wenige verlassen den Zug an dieser Station. Nicht mal ein halbes Dutzend. Umso größer ist die Woge übermüdeter, entnervter, aggressiver oder sedierter Homo sapiens, die uns entgegenrollt. Wie in Panik stürzen sie auf den Zug zu, auf der Flucht vor der Erkenntnis, dass sie selbst nur ein Bauteil der Maschinerie sind, die sie zu beherrschen glaubten. Maschinen, die sich nur noch einreden, sie seien Menschen. Einige sind dumm genug anzunehmen, ich würde um sie herumfahren.
    Beim schrillen Aufschrei der koreanischen Polizeisirene an meinem Schenkel springen sie entsetzt zur Seite. Das Ding ist laut genug, um Trommelfelle zum Platzen zu bringen. Manche brüllen mir wütend hinterher, andere taumeln ausdruckslos weiter Richtung Bahn wie Schlachtvieh unter dem Einfluss eines starken Beruhigungsmittels.
    Plötzlich eine schnelle Bewegung im Augenwinkel, ich ducke mich ab, etwas fliegt dicht über meinen Kopf. Der Aktenkoffer prallt hart gegen die Tunnelwand, springt auf, und in der nächsten Sekunde weht der Luftzug eines im Paralleltunnel einfahrenden Zuges uralte Zeitungen über den Bahnsteig wie graue Engel, die sich in einen Beton-Hades verirrt haben. Der Mann, der den Koffer geworfen hat, ist groß, hager, die Wangen tief eingefallen in einem weißen Gesicht, mit hervorquellenden Augen über einem dünnen grauen Bart. Er starrt seinen Zeitungen hinterher wie ein Kind, das zum ersten Mal einen Schmetterling sieht. Und er ruft mir lachend nach: »Du stirbst auch noch.«
    Den Rahmen des Shimano über der Schulter spurte ich den röhrenförmigen Aufgang vierzig Meter nach oben, auf das graue Nichts über der Stadt zu. Oben schlägt mir kalter Regen in die Augen. Eine Drohne stößt mit aufflammendem blauen Signallicht auf mich herunter, umkreist mich. In dem flachen Diskus mit dem Rotor in der Mitte gleicht ein Prozessor RFID-Signal mit Biometrie und Netzhautscan ab und kommt zu dem Schluss, dass ich der bin, der ich zu sein vorgebe. Das ist nicht die erste Kamera, die mich begutachtet, die ganzen achtzig Meter vom Bahnsteig bis hier waren es mindestens fünf.
    Hochsicherheitszone, Hightech-Unternehmen. Die mögen keine Terroristen, Industriespione, Taschendiebe und ganz besonders keine Hunde, die auf den künstlichen Rasen vor ihren Hightech-Tempeln scheißen. Zu dumm. Wird ein mieser Tag

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