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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
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Wiedersehen! Hm. Vielleicht wird er dennoch versuchen, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich …«
    Solange Modesta mit seinem Geschwätz beschäftigt ist, obwohl nur der Hund ihm Aufmerksamkeit schenkt, springe ich zum letzten bekannten Standort des Objekts – Korridor 14a; grüner Teppich, grüne Tapeten; ein Farbdruck von Kandinsky neben einer Plastikpalme – und aktiviere sämtliche Überwachungsgeräte, bis ich Singh gefunden habe, dem offenbar gerade die Nerven durchgehen: Anstatt in den Lift einzusteigen, vor dem er gewartet hat, schultert er sein Fahrrad und verlässt die Etage übereilt durch das Treppenhaus.
    Eine unerwartete Komplikation.
    Schnell schalte ich die nötigen Kameras hinzu, um seine nächsten Schritte mitzuschneiden: Wie er die Feuertür schließt und blockiert, sich dann auf das Shimano schwingt und halsbrecherisch die Stufen abwärts brettert, wobei die Lenkstange heftig in seinen Händen schlägt. Doch der Rahmen hält stand, Federung und Reifen fangen die wuchtigen Stöße auf, während Singh durch die Stockwerke poltert.
    Erstaunlich; wirklich bemerkenswert … Wir haben ihn unterschätzt.
    »Planänderung«, befehle ich, und meine Begleiter treten zu mir heran. »Unser Objekt ist von den simulierten Handlungsschemata abgewichen, sodass der gesamte Plan in Gefahr gerät. Der eingeschmuggelte Störsender wird in neunzehn Minuten und vierunddreißig Sekunden gezündet, gleichzeitig treten die Sondereinsatzkommandos in Aktion. Argus …«
    Das dritte der Augen neigt den Kopf, Bild an Bild an Bild an Bild. Seine Stimme klingt metallisch, als er fragt: »Was soll ich tun?«
    »Überwachung der gesamten Konzernzone. Das Observatorium wird dir helfen, die Bildkanäle des Sternberg mit denen des Schwarms zu koppeln. Bleib also hier, und sende uns den aktuellen Standort des Objekts im Halbsekundentakt.«
    »Verstanden.«
    »Jetzt stell Kontakt zu Telos her …«
    Statik durchrauscht den Großbildschirm, jeder Punkt eine Ameise, grau, schwarz, weiß – eine Nummer, ein Bürger, stelle ich mir vor, krabbelnd im Stadtlabyrinth. Tief in mir, in meinem modifizierten Körper, registriere ich einen Gefühlsrest, irgendwo zwischen den organischen Schaltkreisen … eine Art von … Stolz, das muss es sein.
    Ja. Ich straffe meine Schultern, während das Rauschen einem Gesicht in Nahaufnahme weicht: Telos mit seinen Richtrohrmikrofonen, die aus seinem Kopf wie Stachel sprießen. »Ist das Objekt entkommen?«, fragt er, und seine Mikrofone zittern, als würde er Witterung aufnehmen.
    »Bloß ein alternatives Verhaltensmuster, das in der Simulation nicht berücksichtigt wurde«, korrigiere ich. »Singh könnte seinen Aktionsradius über die Konzernzone hinaus erweitern. Fluchtroute vage, Ziel und Versteck unbekannt.«
    »Wie kann ich helfen?«
    »Stell ein Team zusammen, das die Ghettos und Slums infiltriert. Filzt jede Blechhütte durch, sobald mein Befehl kommt. Kein Risiko mehr.«
    »Verstanden.« Der Bildschirm verdunkelt sich.
    Ich drehe mich um. »Morlock, du kommst mit mir. Und Doktor Modesta: Sie bringen uns unverzüglich zur Landeplattform. Wir brauchen den Helikopter.«
    Singh
    Noch zweihundertvier Sekunden … Hinter mir Sirenen. Sie kommen näher, und ich sehe mich instinktiv nach einem Loch um, in das ich mich verkriechen kann. Eine Seitengasse, eine offen stehende Tür, ein hochgestemmter Kanaldeckel, eine Lücke, die groß genug ist, um mit dem Shimano durchzuschlüpfen. Dann der erlösende Dopplereffekt hin zur tieferen Frequenz. Sie entfernen sich. Wie sollten sie das Ding auch so schnell bemerkt haben?
    Noch fünfundsiebzig Sekunden …
    Der Injektor an meinem Bauch blendet ein rotes Warnsignal am Rand meines Blickfeldes ein und schießt eine Dosis nach. Irgendein Präparat, um den Kollaps abzufangen. Das Ding ist nicht nur einfach illegal, sondern mindestens-drei-Jahre-Haft-illegal. Wichtigste Grundregel der Welt von heute: Wenn es legal ist, wird es nicht funktionieren. Alles was uns jetzt noch aus der Scheiße retten kann, muss also auch illegal sein. Wie die kleine Maschine im Sternberg.
    Noch neununddreißig Sekunden …
    Von da oben will ich zusehen. Die Halde ist vor über dreißig Jahren aufgeschüttet worden. Bergbauschutt, glaube ich. Irgendwer hat aus großen Steinbrocken so was wie Kunst errichten wollen. Hatte wahrscheinlich irgendeine Aussage. Über eine schräge Betonrampe treibe ich das Shimano weiter nach oben, springe am anderen Ende von der anderthalb Meter hohen Kante

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