Maschinenkinder
diversen mechanischen Fortsätzen verborgen liegt. »Sein Herz ist im Eimer, ich kann die Scharniere an seinen Herzklappen quietschen hören.« Der Werkzeugladen sondert ein Lachen ab, das klingt, als würde jemand mit dem Kopf in einem Blecheimer ersticken.
»Folge seines Drogenmissbrauchs.« Noch eine Stimme. Leiser, menschlicher und doch noch viel unerfreulicher als die des Werkzeugladens. »Das hinterlässt Spuren. Am Körper …«, er geht um mich herum, steht jetzt neben dem anderen. Herablassende Augen über dem Kragen einer seltsamen Regenjacke, auf der Farbschlieren schillern. »…und am Geist. Bringt ihn auf seltsame Ideen. Er will die Welt verbessern und legt eine logische Bombe.«
»Hat doch funktioniert, oder? Einer musste euch doch in den Arsch treten. Ich meine ... du hast doch einen Arsch, Schraubenladen?«
Schraubenladen nickt. »Er ist witzig.«
»Und er hat wunderbar funktioniert. Wie Sie unser kleines Device unauffällig installiert haben. Aus Ihnen hätte tatsächlich ein Agent werden können. Wir danken Ihnen, Kev Singh.«
Ein Scheißgefühl. Als würde mein Magen eine Faust machen. Kälte breitet sich aus dem Bauch über den ganzen Körper aus.
Der mit der Ölhaut geht neben mir in die Hocke, hält eine Hand an sein Ohr. »Hören Sie das Ploppen der Schalldämpfer?«
Ich schüttle langsam den Kopf.
»Niemand hört es.« Er hebt die Schultern. »Sie haben mit Ihrer Sabotage dafür gesorgt, dass unser Überwachungssystem heute Nacht nicht funktioniert. Sodass wir gerade gar keine Möglichkeit haben, etwas dagegen zu unternehmen, dass just in dieser Stunde einige Personen, die wir, sagen wir, nicht besonders mögen, verschwinden werden. Dort ein Oppositionspolitiker, da ein Systemkritiker oder einer dieser Vlogger, die auf ihren Privatkanälen gegen das System hetzen. Ein System, das sie geschützt hat, obwohl sie es so heftig bemängelt haben.« Die Schlieren auf seiner Ölhaut nehmen Formen an. Ich sehe mich selbst auf seinen Armen, seinem Oberkörper, seinem hochgestellten Kragen, wie durch das Facettenauge einer Fliege, während ich mir Kotze vom Mund wische, und wie ich das Ding unter den Schreibtisch klebe.
»Sie waren so freundlich, für uns ein kleines bescheidenes Zeitfenster zu schaffen, in dem wir uns endlich einiger Problemfaktoren entledigen können. Hervorragende Arbeit.« Eine andere Stimme, die eines älteren Mannes. Ich kenne sie, kann mich daran erinnern, wie sie auf mich eingeredet hat, wie sie genau das gesagt hat, was ich hören wollte. Wie wir das System schlagen könnten. Dieser Kerl hat mich für den Job angeheuert.
Ich rapple mich auf einen Ellenbogen hoch. Er steht vor mir. Diesmal allerdings in einem eleganten Anzug mit gekämmtem Haar. Er hätte an mir vorbeigehen können, ohne dass ich ihn bemerkt hätte. Aber nachdem ich seine Stimme erkannt habe, erkenne ich auch seine Augen.
»Kev, Sie sind jetzt ein gesuchter Terrorist.«
Mein Daumen findet den richtigen Punkt in der rechten Handfläche. Ich deute auf mein Fahrrad, nicke dem Alten zu. »Das Shimano gehört dir.«
»Wie?«
»Du kannst es haben.«
Der Alte grinst ein Grinsen, wie man es vor einer Fernsehkamera erwarten würde. »Sie wollen mir das Rad schenken? Verstehe ich das richtig? Ich kriege das Fahrrad, und Sie sind aus der Geschichte raus?«
Er setzt sich tatsächlich auf das Shimano, testet die Sitzposition. »Fühlt sich gut an. So halten Sie sich in Form, Singh, nicht wahr?«
Ich starre ihn an. Dabei steure ich den Cursor durch das in meine Netzhaut eingeblendete Menü, indem ich den Daumen in der Handinnenfläche bewege. Fünf Schritte, dann endlich die Skala, die ich suche. Wenn er jetzt drauf sitzen bleibt. Noch ein paar Sekunden. Ich halte den Atem an.
»Vorsicht, Modesta.« Der mit der Ölhaut deutet warnend auf das Rad. Aber Modesta ist längst aufgestanden, hält den Lenker an den Plastikgriffen. Die Entladung findet nicht statt.
Modesta schmunzelt. »Er hat’s wirklich versucht.«
Wut explodiert in meinem Kopf, lässt mich die Fäuste ballen. Aber nur ganz kurz. Ein anderes, warmes Gefühl verzehrt sie. Tiefes entspannendes Wohlbehagen, das mich ausfüllt, mich Erschöpfung und Schmerz und Zorn vergessen lässt. Die Injektion wirkt.
Ein neuer Fortsatz wächst aus der Brust des Schraubenladens heraus. »Da ist was«, stellt er skeptisch fest. »Seine Herzfrequenz …«
»Kannst du mein Herz schlagen hören, Schraubenladen?«
Er fixiert mich durch Optiken, die wie Tentakel
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