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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
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lägen jetzt tot auf dem Fenstersims: tief in den Straßenschluchten sind die Drohnen zerschellt. Ein kleines Opfer für eine größere Sache – wie Singh, der verkrampft und zitternd am Mülltempel liegt, obwohl er nicht angeschossen wurde. Was also stimmt nicht mit ihm? Kreislaufkollaps? Eine schlechte Body-Modifikation? Wir brauchen ihn lebend für den Schauprozess.
    Argus konnte seinen letzten Standort noch lokalisieren, kurz bevor die Outage ringförmig die einzelnen Zonen der Stadt überrollte, vom Bankenviertel hin zu den Ghettos und Slums.
    Eine seltsame Ruhe breitet sich unter mir aus; kaum Daten, die es zu verarbeiten gäbe.
    Alle Augen sind geschlossen.
    Der Helikopter sinkt weiter, an einem Funkturm vorbei, worauf der gewölbte Schatten der Halde aus der Dunkelheit tritt. »Suchscheinwerfer an.«
    »Verstanden«, schnarrt Morlock; flippt ein paar Kippschalter nach oben; und grelles Flutlicht schießt über den Platz hinweg, erfasst den schäbigen Bau, die Treppen, das Shimano am Boden – und Singh, der reflexartig den Arm hochreißt, um sich vor der Helligkeit zu schützen. Sein Gesicht ist kalkweiß, Regentropfen oder Schweiß glänzen fiebrig auf seiner Stirn.
    »Erbärmlich«, flucht Modesta, der seinem Bluthund die Ohren krault. »Eine Ratte verkriecht sich im Müll.«
    »Bring uns runter«, gebe ich den Befehl, und Morlock zieht den Steuerknüppel zurück, um die Maschine abzufangen, während er die Motoren drosselt und das Fahrwerk ausfährt. Als die Nase des Helikopters hochkommt, verliere ich Singh für einen Moment aus den Augen, dann setzt die Maschine auf dem Asphalt auf, rollt ein paar Meter, steht still.
    Ich ziehe die Schiebetür zurück und springe nach draußen – die Rotoren über mir, flappend; verwirbeltes Abgas; und der Gestank von Benzin und abradiertem Gummi in der feuchtkalten Nachtluft.
    An meinen Händen knistert der Strom.
    Das Spiel ist vorbei.
    Singh
    Weißer Kittel, Stethoskop, Hornbrille. Sie ist oben, japst und doziert. Ihr Busen schwappt rhythmisch aus dem offenen Kittel heraus, das Stethoskop pendelt wild dazwischen hin und her, während sie auf und ab hüpft, dabei den Deostift auf Kopfhöhe neben ihrem Grinsen hält und fachmännisch, nur gelegentlich lustvolle Seufzer von sich gebend, erklärt, warum ihr Deo auch nach dem vierten Orgasmus nicht versagt.
    Bevor sie den Druckknopf betätigen kann, zerplatzt ihr Kopf in einer Wolke glitzernder Schneepartikel. Statisches Rauschen projiziert auf die tiefe Wolkendecke über meinem Kopf. Es ist der Effekt. Alle Werbeprojektionen am Himmel verschwinden, auch die auf den Werbewänden unten in der Stadt, auf großen Monitoren und auf kleinen. Denn all die Signale, die Nachrichten, die Werbung, Kochsendungen, Kinderprogramm und Sportübertragungen laufen durch den großen Zensurknoten im Sternberg – der gerade aufgehört hat zu funktionieren. Und dann höre ich ein Krachen, irgendwo unten in Stadt, kurz darauf ein Scheppern, näher diesmal und dann eine Explosion am Horizont und Sirenen. Die funktionieren noch. Aber nicht die Kommunikation.
    Mir schwinden die Sinne. Sternchenpartikel glitzern rot und blau vor schwarzem Nichts. In der nächsten Sekunde zerfetzt von einer Sonnenexplosion in meinem Kopf. Wo eben noch Schwarz war, tobt gelbe Glut. Ich reiße den Arm hoch, will mich vor der Explosion über mir schützen. Die Druckwelle bleibt aus, dafür tiefes Pochen, das meinen Körper in die schwingende Membran eines Subwoofers verwandelt. Ein Helikopter. Cops, sie haben mich. Schon jetzt.
    Ich bin zu fertig, um was dagegen zu tun, lege den Kopf in den Nacken, ganz weit. Der Tempel steht auf dem Kopf, umrahmt von blinkenden blauen Leuchtdioden. Mir ist, als würde ich eine Bewegung darin sehen.
    Etwas Schweres erschüttert den Boden, die Fassade des Tempels wird in weißem Licht gebadet. Plötzlich ist er die Bühne eines Schattentheaters wie auf einem dieser indonesischen TV-Kanäle. Mächtige schwarze Gestalten erheben sich. Geister alter indonesischer Krieger, die mir ihren Respekt erweisen wollen. Aber sie schrumpfen, werden verdeckt von einer massigen Gestalt. Der Typ sieht aus wie ein wandelnder Werkzeugladen. Einige der Objektive an seinem Körper verlängern sich zu mir herunter. Aber vielleicht sind es ja auch gar keine Optiken. Seine vielfältigen mechanischen Erektionen bringen mich zum Grinsen. »Deine Hardware steht auf mich.«
    »Er ist kurz vorm Kammerflimmern«, tönt eine Stimme etwa von da, wo der Kopf hinter

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