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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
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identifiziert. Die gefälschte Signatur hat funktioniert. Aber in Wahrheit wird die kleine Maschine etwas ganz anderes tun. Etwas, das ich den verdienten Tritt in ihre Ärsche nenne.
    Der enge Durchgang ins Foyer führt direkt an der gepanzerten Kapsel mit den Wachen darin vorbei. »Ihr Name und Zweck Ihres Besuches«, schnauzt mich eine unglaublich hoch gewachsene Frau mit rasiertem Schädel an.
    »Kev Singh im Auftrag von Wrapit Rapid. Ersatzhardware für 24b.«
    Sie macht sich nicht mal die Mühe, mich anzusehen, während sie mich durchwinkt, den Blick dabei schon auf den nächsten Kandidaten in der Stahlpassage gerichtet. Das zusammengeklappte Rad über der Schulter schlendere ich zum Lift, erreiche eine Minute später den vierundzwanzigsten Stock. Tatsächlich biege ich oben vom Hauptgang in Korridor B ab, verschwinde dort in die Toiletten im Anfang des Flurs. Bei Wrapit Rapid haben sie uns oft genug gewarnt, hier Pinkeln zu gehen. Der Urin läuft durch ein Filtersystem und wird automatisch auf Drogen getestet und dank der RFIDs wissen sie genau, wer sich wo erleichtert hat.
    Aber das habe ich nicht vor. Stattdessen bleibe ich vor einem riesigen Waschbecken und einem Spiegel stehen, auf dem ich mich selbst vor irgendeinem Regenwald sehe. Der winzige Sender in meiner Tasche sieht genauso aus, wie der für die Alarmanlage des Shimano. Ein bisschen unangenehm würde es, haben sie gesagt, und ich solle aufpassen, wo ich hinspucke. Auf keinen Fall in eine Kloschüssel.
    Ich wappne mich vor dem Schmerz. Der bleibt aus. Der plötzliche Würgereflex presst nur meinen Mageninhalt nach oben. Sie hatten mich dringend gewarnt, vorher nur Wasser zu trinken. Genau das speie ich in einem Geysir auf das lilafarbene Mosaik am Boden. Jetzt muss ich das Ding finden. In der riesigen säuerlich stinkenden Pfütze kann ich es nirgendwo entdecken, bin mir entsetzte Sekunden sicher, es steckt noch in meiner Magenschleimhautwand. Endlich sehe ich die kleine Kapsel vor einer der Toilettentüren, nehme das klebrige kleine Ding an mich.
    »Geht es Ihnen nicht gut?«
    Der kleine Kerl trägt eine überdimensionale Brille auf einer Stupsnase. Der unglaublich altmodische Anzug mit grauer Weste und der herausbaumelnden goldenen Kette einer mechanischen Uhr machen aus ihm endgültig die Karikatur einer Karikatur. Schleimfäden hängen von meinem Kinn herunter, als ich ihn angrinse. »Nein, heute geht’s mir mal richtig gut.« Ich rupfe ein Papiertuch aus dem Spender, lasse ihn stehen. Zwei Minuten später habe ich den Umschlag abgeliefert. Ihn und die kleine Kapsel, die jetzt unter einem Schreibtisch im vierundzwanzigsten Stock des Sternberg haftet. Nur noch zwölf Stockwerke entfernt von der Serverfarm des Innenministeriums.
    Nah genug.
    Gopher
    »Geht es Ihnen nicht gut?«
    »Nein, heute geht’s mir mal richtig gut.«
    Ende der Aufzeichnung. Ich schalte die Holokrabbe ab, und der Mann im grauen Anzug, mit Monokel oder einer antiken Uhr in der Brusttasche, zuckt wie eine Flamme, um dann am Boden zu einem Apparat zusammenzuschmelzen – eiförmig, hellrot, gespickt mit Projektionskristallen.
    »Mein Gott, wie schlagfertig«, höhnt Doktor Modesta, der die Filmsequenz auf einem der Großbildschirme verfolgt hat. »Unser Mann hat wirklich Potenzial. Könnte glatt Kurse in Rhetorik geben, was?«
    Sein gepresstes Lachen verhallt.
    Außer uns ist der Observationsraum verlassen, kein Wachpersonal an den Konsolen, mit denen die Kameras des Gebäudes manuell bedient werden, schneller und effizienter als jede Software; KI-gestützte Systeme haben sich als mangelhaft erwiesen … was keiner wissen darf; die Bürger sollen denken, dass jedes Fehlverhalten erfasst wird. Ich bücke mich, hebe die Krabbe auf, bevor ich einen zweiten Filmclip zum Bildschirm transferiere: das Objekt Singh, lässig an einen Schreitisch gelehnt, ehe seine Hand unter die Tischkante greift – alles in Untersicht gefilmt: Sein Gesicht ist gut zu erkennen, als er den klebrigen Störsender anbringt. Beweismaterial, das vor Gericht zugelassen wird.
    Schuldig!
    Wir haben ihn.
    »Wo ist der Kerl jetzt?«, fragt Modesta, der einen Aufriss des Sternberg auf seinem Touchpad hin- und herschiebt. »Diese Büros liegen im vierundzwanzigsten Stock, dreißig Sekunden bis zum Erdgeschoss, es sei denn, Singh nimmt die Treppen und nicht den Drucklift.« Er unterbricht sich. »Aber an seiner Stelle würde ich dreist genug sein, direkt durchs Foyer zu verschwinden – Bestellung abgeliefert, auf

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