Maschinenmann: Roman (German Edition)
beschloss ich, mich zu entschuldigen. Ich wollte es wiedergutmachen. Ich hatte keine Lust, mich hier weiter als schmutziges, stinkendes Wesen in meinem Elend zu suhlen. Lola sollte nicht mehr traurig sein. Dann setzte ich mich auf, und Teile der Contours spritzten in alle Richtungen. Ich hatte mit ihnen geschlafen, um die Phantomschmerzen zu lindern. Keine Ahnung, wie das funktionierte. Aber es funktionierte. Ich repariere einfach eine Sache, überlegte ich. Wenn ich es schaffte, einen Schritt in Richtung Wiederherstellung der Funktionalität zu machen, dann waren die Contours nicht mehr tot. Nur noch vorübergehend außer Betrieb.
Also kroch ich vom Bett und suchte nach einer reparierbaren Sache. Doch ich konnte nichts finden. Wochen vergingen.
Ich hatte eine Epiphanie. Auf dem Bauch liegend mühte ich mich, mehrere Titanteile zu erreichen, die irgendwie unters Bett geraten waren. Die sind doch nur aus Metall. Wahrscheinlich klingt das nicht unbedingt nach einer großen Offenbarung. Aber für mich war es eine. Ich fixierte diese Komponenten, die einmal den Kern meiner Finger gebildet hatten, und auf einmal sahen sie nicht mehr aus wie ein Teil von mir.
Ich setzte mich auf. Ich würde die Contours nie mehr zusammensetzen, das wusste ich jetzt. Bisher war das eine lähmende Furcht gewesen, doch nun empfand ich fast nur noch Erleichterung. Etwas in mir wollte sie immer noch reparieren und es noch ein letztes Mal probieren, doch dieses Etwas war klein und am Schwinden. Ich schaute mich an und dachte: Ich bin eine Ruine.
Ich hatte Lola verletzt. Vielleicht war sie schon längst verschwunden. Noch immer brachte mir jemand Essen und lauschte an der Tür, aber das konnte auch Dr. Angelica sein. Ich zog die Tür auf. Wie eine Ohrfeige traf mich die frische Luft. Im Flur lag ein Zettel: ein Ausschnitt aus einem Industriemaschinenkatalog. Eine Anzeige für ein Lichtbogenschweißgerät. Dazu eine handschriftliche Notiz von Lola: Für dich, in der Garage.
Ich war noch immer da, als sie im Flur erschien. »Oh.« Sie blieb stehen. »Du … na ja, ich hab gehört, dass du so was brauchst. Hat eine Weile gedauert, es dir zu besorgen.« Sie verlagerte das Gewicht. »Ich hoffe, es ist das Richtige.«
Ich stieß ein leises, jämmerliches Krächzen aus. »Es tut mir leid.«
»Schon gut«, antwortete Lola. »Alles in Ordnung, Charlie.«
Nach dem Betreten des Bads löste sich ein Schmierfilm von meiner Haut und bildete eine wirbelnde Mandelbrotmenge. Ich war das Zentrum einer Galaxie aus Schweiß und zerfallendem Schmutz. Mir war nicht klar gewesen, wie schrecklich ich stank. Man gewöhnt sich an alles. Das Gehirn beklagt sich nur über Veränderungen.
Lola machte sich daran, mich zu waschen. Mir war unbegreiflich, wie jemand so wenig nachtragend sein konnte. Das war ein völlig neuer Aspekt der Liebe für mich: Man musste sie nicht verdient haben. Ich hatte immer angenommen, dass es einen festen Satz von Kriterien dafür gab. Feiner Humor zum Beispiel, Aussehen und Reichtum. Mängel in einem Bereich konnte man durch eine besonders hohe Punktzahl in den anderen wettmachen. Daher reiche, hässliche Männer mit wunderschönen Ehefrauen. Doch das Ganze folgte einem Algorithmus. Ich hatte immer geglaubt, dass ich nicht geliebt wurde, weil meine Gesamtpunktzahl zu niedrig war. Einerseits hatte ich Anstrengungen unternommen, um dieses Ergebnis zu verbessern, andererseits hatte ich mir eingeredet, dass es mir egal war. Wenn Frauen auf derart oberflächliche und vergängliche Dinge schielten, dann blieb ich lieber allein. Und manchmal war ich einfach faul und beschäftigte mich lieber mit Technik. Doch hier hockte ich, schwamm in meinem eigenen Dreck, und Lola rieb mir die Schultern ab. Gab es einen Algorithmus, der das erklären konnte? Ein unlösbares Problem.
Lola ging hinaus und brachte ein Paar Beinprothesen wie an dem Tag, als wir uns kennengelernt hatten. Sie lehnte sie an die Wand. »Die sind nichts Besonderes …« Sie hatten krückenartige Stangen und Plastikkübel. Prothesen für vom Staat im Stich gelassene Kriegsveteranen. »Was Besseres konnte Angelica nicht besorgen, ohne Verdacht zu erregen.«
»Oh.«
»Ich weiß, sie sind einfach. Nicht wie … Eben was ganz Schlichtes. Aber immerhin.«
»Danke.«
Sie lächelte. »Willst du sie anprobieren?«
Die Gurte waren ausgefranst und abgetragen und hatten dunkle Flecken. Da hatten schon viele amputierte Schenkel hineingeschwitzt. Die Fassungen waren an manchen Stellen zu
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