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Maschinenmann: Roman (German Edition)

Maschinenmann: Roman (German Edition)

Titel: Maschinenmann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Barry
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weit, an anderen furchtbar eng. Als ich in das Plastik glitt, jaulte mein Gewebe auf. Ich war an Nanonadeln gewöhnt, nicht an brutalen Druck. Es fühlte sich an, als würde ich einen Handschuh über meinen Augapfel ziehen. Ich befestigte den Gurt um meine Hüften, dann legte ich den Arm um Lolas Schulter, und sie half mir, mich aufzurichten. Ich konnte nicht wie bei den Contours in den Fassungen sitzen. Ich musste sie bewegen wie Stelzen. Es waren Stelzen. An Lola hängend machte ich einen Schritt und hinterließ einen schwarzen Streifen an der Wand, als ich sie mit einer schwarzen Gummikappe streifte. »Macht nichts.« Sie wollte mir Mut machen. »Probier es weiter.«
    Ich war mir sicher, dass sich die Fassungen mit Blut füllten. Beim vierten Schritt merkte ich, dass es meinem Körper gefiel. Nur den Oberschenkeln gefiel es nicht. Meine Oberschenkel hassten mich. Doch mein Gehirn schüttete Endorphine aus, weil es sich über die Bewegung freute. Dazu bist du doch gemacht. Mein Gehirn war kein Intellektueller. Es hatte Spaß an einfachen Tätigkeiten wie langen Spaziergängen und schwerer Arbeit. Vielleicht hatte es damit gar nicht so unrecht, oder es lag nur an den Endorphinen. Jedenfalls schien es mir auf einmal möglich, so zu leben. Vielleicht konnte ich mir mit Lola eine anonyme Existenz in einem winzigen verschneiten Ort in Kanada aufbauen. Lola konnte Kuchen backen. Ich konnte Gemüse züchten. Der Mann ohne Beine und mit einer halben Hand, der früher Wissenschaftler gewesen war. Die Einheimischen würden mich distanziert finden, aber mich nach einer Weile respektieren. Und mich Doc nennen.
    Lola half mir auf den Toilettensitz. »Das war ganz toll, Charlie. Der reinste Wahnsinn für den ersten Versuch.« Sie griff nach einer Schnalle.
    »Noch mal.«
    Ihre Augenbrauen hüpften. »Bist du sicher?« Sie klatschte in die Hände. »Das ist die richtige Einstellung, Charlie! Weiter so!«
    Es wurde Nacht. Das ganze schweißtreibende, von lautem Stöhnen begleitete Martyrium möchte ich hier nicht weiter beschreiben. Nur so viel: Es war eine der schrecklichsten Erfahrungen meines Lebens. Und ich spreche als jemand, der sich in einer industriellen Zwinge die Beine zerquetscht hat. Das Dumme war, dass ich ohne Körperteile zu Bett ging. Nur ich und Lola, die sich in meinen Arm geschmiegt hatte, und es schien einigermaßen machbar, solange die Lichter an waren, doch sobald Stille einkehrte, erkannte ich meinen Fehler. Ich lag da und starrte an die Decke. Ich spürte ein Prickeln. Gar nicht schmerzhaft. Aber es war da.
    Ich versuchte, es durchzustehen. Ich dachte über andere Dinge nach, etwa die Frage, ob Carl mich aufspüren und was er dann mit mir anstellen würde. Das Prickeln eskalierte zu einem scharfen Stechen. Ich zuckte, und Lola schreckte hoch. Ihre Augen glitzerten in der Dunkelheit. »Alles in Ordnung«, sagte ich, doch ich wollte, dass sie meine Worte als Lüge durchschaute.
    »Willst du deine Beine anziehen?«
    Ich schüttelte den Kopf, ich nagte an meiner Lippe. Um Mitternacht schalteten wir das Licht an und schnallten mich an die Kriegsveteranenbeine. Schlagartig stellte sich Erleichterung ein. Mit zitternden Fingern massierte ich die kahlen Stangen und spürte, wie sich unsichtbare Muskeln lockerten. Lola kuschelte sich an mich. Ich schloss die Augen.
    Schreiend wachte ich auf. Meine Beine bliesen sich auf und streckten sich. Meine Oberschenkel standen in Flammen. So etwas hatte ich noch nie empfunden. Lola tastete hektisch nach dem Lichtschalter. Ich packte die Stangen und forderte mein Gehirn auf, ihre Gegenwart zur Kenntnis zu nehmen. Aber das war nicht das Problem. Ich wusste es sofort. Das Problem war nicht, dass ich keine Beine hatte, sondern dass ich nicht die Contours hatte. Meine Grundvoraussetzungen hatten sich geändert. Ich brauchte echte künstliche Beine.
    »Ich hol die Schnittstellenmatte«, flüsterte Lola.
    »Nein«, wimmerte ich. »Noch nicht.«
    Am Morgen war es besser. In einem geborgten T-Shirt mit der Aufschrift DINO-ROAR! tappte Lola zur Dusche. Währenddessen machte ich allein Gehversuche mit den Kriegsveteranenbeinen. Mit riesigen Wackelschritten wie ein Kleinkind stolperte ich in den Flur und prallte an die Wände. Keine Hunde in Sicht. Das hätte mir auffallen müssen.
    »Natürlich hat er.« Lolas Stimme. Aus irgendeinem Grund hatte sie einen Abstecher ins Wohnzimmer gemacht. »Wirst schon sehen.«
    »Du hast ihm ein Schweißgerät gekauft, verdammt. Du unterstützt ihn auch

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