Masken der Begierde
feiner Blutperlen, andere zeigten sich wund und geschwollen. Seine Haut schien ein Zeugnis seiner selbstzerstörerischen Wut zu sein.
Lucas stolperte zurück. Sein Herz verkrampfte sich. Welche Dämonen bemächtigten sich seiner Seele? Wie viel verborgener Hass schlummerte in ihm, dass er sich selbst so zurichtete? Wie lange mochte es noch dauern, bis er Violet oder Allegra angriff?
In ihm reifte die Erkenntnis, dass er kaum mehr Zeit zu vergeuden hatte. Der Zeitpunkt war gekommen, Abschied zu nehmen und allem ein Ende zu bereiten.
Nach ihrer Rückkehr von ihrem Besuch bei den Sterlings zog Allegra sich auf ihr Zimmer zurück, vorgeblich, um zu ruhen.
Violet beschloss, ihre Unruhe mit einem Streifzug durch die Gärten zu besänftigen. Die Üppigkeit der herbstlichen Gewächse weckte Bewunderung in ihr. Gemächlich flanierte sie über die Kieswege, trat das eine oder andere Mal näher an Blumen und Blüten und schnupperte interessiert, ehe sie sich auf einer der zahlreichen Steinbänke niederließ. Sie genoss die warme Nachmittagssonne, indem sie ihr Gesicht den Strahlen entgegenreckte. Nach einer Weile glaubte Violet, nicht mehr allein in diesem Teil des Parks zu sein, öffnete ihre Augen und machte den Störenfried sofort ausfindig.
Lucas lief über die Wiese, offenbar mit demselben Vorhaben im Freien unterwegs wie sie. Noch hatte er sie nicht entdeckt, und so beobachtete Violet ihn dabei, wie er die Blumenrabatten entlangschlenderte. Seine Kleidung war korrekt wie immer. Eine knöchellange Hose, ein Leinenhemd, darüber eine bestickte Weste und eine farblich zum Hemd passende Halsbinde verrieten den Mann von modischem Gespür. Sein sandfarbenes Haar war leicht zerzaust, so, als wäre er unaufmerksam mit den Fingern durch seine Frisur geglitten. Ein melancholisches Lächeln umspielte seine Lippen, und Violet seufzte.
Lucas blickte auf, vielleicht hatte er sie gehört oder gesehen. Oder auch nur ihre Anwesenheit gespürt, so wie sie die seine. Er stand reglos auf der Wiese und starrte sie an. Eine Ewigkeit, wie es ihr schien. Seine Augen, samtgraue Fenster zu seiner Seele, fixierten sie.
Violet schluckte, als sie die Tiefe seiner Gefühle erkannte. Ihre Blicke verflochten sich wie zwei unsichtbare Seile, so unrettbar miteinander verknüpft, dass nur die Gewalt der Elemente sie würde trennen können. Violet zitterte. In diesem Moment wusste sie, dass sie verloren war. Endgültig verloren.
Sie glaubte, in Lucas’ Augen zu versinken, spürte, wie seine Aufmerksamkeit sie umgarnte, verführte. Erkannte, dass es ihm ebenso erging, dass sein Versuch, sich von ihr fernzuhalten, so sinnlos war wie der ihre.
Sie genoss es, seine Freude über ihre Gegenwart zu fühlen, als sie sich erhob. Seine Hand streckte sich ihr entgegen, und sie eilte auf ihn zu. Violet legte ihre Hand in seine. Seine Haut war warm und gepflegt, sein Griff fest.
Violet verharrte bewegungslos, sah in seine Augen und hielt seine Hand. Die Empfindung, dass in diesem Moment alles so war, wie das Schicksal es geplant hatte, erfüllte Violet.
„Violet.“ Seine Stimme löste sinnliche Schauer in ihr aus.
Er zog sie näher zu sich, legte seine andere Hand an ihre Hüfte, ebenso gefangen wie sie. Seine Berührungen ließen Violet lustvoll erbeben.
Lucas blinzelte, und sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, als er mehrmals hintereinander schluckte. Die Hand an ihrer Hüfte bewegte sich sacht. Seine Mundwinkel hoben sich. Die Streicheleinheiten und sein lasziver Blick erregten Violet mehr, als sie zugeben wollte.
„Triffst du mich dort hinten im kleinen Pavillon?“ Lucas deutete auf den kuppelförmigen Bau mit griechischen Säulen und einer Venusstatue neben der Tür.
Ein Rhododendronbusch, fast doppelt so ausladend wie der Pavillon, verdeckte einen Großteil des Gebäudes.
Violet hatte Mühe, seine Worte zu verstehen und ihre Beachtung auf den intimen Ruheort im Park zu lenken. Sie nickte. Lucas’ Augen leuchteten auf. Er drückte ihre Hand.
„Geh voraus und warte auf mich. Ich folge dir in einigen Minuten.“
Er eilte auf den Weg zurück, hinüber Richtung Terrasse, während Violet über einen Umweg am Heckenlabyrinth vorbei in den Pavillon schlüpfte.
Im Innern roch es nach Holz. Die Fenster waren hoch über ihrem Kopf angebracht, sodass sie sich auf die Bank stellen musste, um hinauszusehen. Die geschwungene Bank war passgenau an den runden Wänden befestigt worden. Ansonsten stand der Pavillon leer.
Die Tür öffnete sich, und
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