Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Masken der Begierde

Masken der Begierde

Titel: Masken der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Paul
Vom Netzwerk:
einigen Ungereimtheiten in der Familiengeschichte der St. Clares sein könnten.
     
     

Kapitel 9
     
    Wir müssen lernen, die Komödie zu Ende zu spielen.
    Wir müssen das Unglück müde machen.
    Charles Dickens
     
    Allegra saß vergnügt neben Violet auf der gepolsterten Bank des Landauers. Das Verdeck war aufgeklappt, sodass sie die Sonnenstrahlen genießen konnten. Lucas lenkte die Kutsche.
    „Ein Picknick!“, rief Allegra begeistert. „Das haben wir ewig nicht mehr gemacht.“ Sie beugte sich vor. „Lucas, wo fahren wir hin?“
    „Nach Loadpot Hill“, gab er zur Antwort.
    „Zur verfallenen Ruine?“, vergewisserte sich Allegra.
    Interessiert lauschte Violet der Unterhaltung. Allegra lehnte sich zurück und wandte sich Violet zu, als sie deren Neugier bemerkte. „Der Stammsitz der St. Clares, Tredayn Castle. Als ich ein kleines Mädchen war, erzählte Lucas mir die gruseligsten Geschichten über das alte Gemäuer und die Hexe Lady Edwina.“
    „Du bist immer noch ein kleines Mädchen“, zog Lucas sie auf.
    „Lucas!“, protestierte Allegra. „Manch anderes Mädchen ist in meinem Alter bereits verheiratet.“
    Lucas warf einen Blick nach hinten. Seine Augen blitzten gut gelaunt. Nie sah er attraktiver aus, als wenn er fröhlich war. Instinktiv erwiderte Violet sein Lächeln.
    „Gott bewahre, dass wir mit liebestollen Burschen zu kämpfen haben. Bleib mein kleines Mädchen, solange es nur irgendwie geht“, neckte Lucas seine Schwester und konzentrierte sich wieder auf den Weg und sein Pferd.
    Gedankenverloren starrte Violet auf seinen Rücken. Der Stoff seines Jacketts spannte sich um seine Schultern. Violet überlegte, wie anziehend er als junger Mann gewirkt haben musste. Unbeeinflusst von den Sorgen des Alltags, die sein Leben nun bestimmten. Unbeschwerte Fröhlichkeit vereint mit gutem Aussehen und hervorragendem Benehmen, vielleicht noch eine gehörige Prise Charme dazu, welche Frau könnte dem widerstehen? Ob Bethany Lucas’ Geliebte gewesen war? Ihre Ehe mit Lucas’ Vater nur eine Notlösung? War Bethany in Schwierigkeiten geraten? Schwierigkeiten, die nach neun Monaten schreiend und strampelnd das Licht der Welt erblickt hatten? Violet schluckte. Allegras Aussehen kennzeichnete sie als St. Clare, als Blutsverwandte von Lucas. Aber sie musste nicht zwangsläufig seine Schwester sein. Wie alt mochte Lucas sein? Fünfunddreißig? Alt genug jedenfalls, um Allegras Vater zu sein. Sein Verhalten schien Violet oft genug eher väterlicher als brüderlicher Art zu sein.
    Violet wurde aus ihren Überlegungen gerissen, als Allegra sie antippte.
    „Seht Ihr, Miss Delacroix? Tredayn Castle.“ Allegra deutete auf einen zerfallenen Turm, der wie der leprazerfressene Finger eines zornigen Titanen in den Himmel zu stoßen schien. „Das ist die Rückseite, wartet, bis Ihr die Vorderseite seht. Tredayn Castle ist ein beliebter Treffpunkt für diskrete Liebespaare.“
    „Allegra!“ Lucas klang schockiert.
    „Denkst du etwa, man erzählt mir solche Dinge nicht? Hättest du mich mehr mit unseresgleichen Umgang haben lassen, wäre dem vielleicht so. Bei meinen Lebensumständen musste ich jedoch meine Gespräche mit den Hausmädchen führen“, entgegnete sie spitz.
    „Wofür habe ich dann Miss Delacroix eingestellt?“, erkundigte sich Lucas pikiert, während er das Pferd auf den rechten Weg abbiegen ließ.
    „Sie ist doch erst ein paar Monate bei uns. Reden kann ich schon mehrere Jahre.“
    Lucas murmelte etwas, das sich für Violet nach „Frauen treiben mich in den Wahnsinn“ anhörte. Sie unterdrückte ein Kichern, und als Allegra ihr ein breites Grinsen schenkte, erwiderte sie es.
     
    Violet verstaute die Reste des Essens, das ihnen Mrs. Harvey eingepackt hatte, im Picknickkorb und sah zu Lucas, der ausgestreckt auf der Decke lag und döste.
    Allegra stand einige Meter entfernt auf der Wiese und pflückte Gänseblümchen, die sie zu einem Haarkranz verflocht.
    „Miss Delacroix?“ Sie setzte den Gänseblümchenschmuck auf ihr Haupt. „Dort hinten im Wäldchen wachsen Brombeeren. Ich werde nachsehen, ob sie bereits reif sind. Wollt Ihr mich begleiten?“
    Violet verneinte. „Entferne dich nicht allzu weit.“
    „Bestimmt nicht!“, versprach Allegra, ehe sie davoneilte.
    Kaum war sie außer Hörweite, drehte sich Lucas zur Seite, stützte seinen Kopf auf den abgewinkelten Arm und sah Violet an.
    „Miss Delacroix? Wie wäre es mit einer Besichtigung der Ruine?“, schlug er vor.
    Violet sah auf

Weitere Kostenlose Bücher