Masken der Begierde
wegen ihm trauern, sind die Würmer, denen er Magenbeschwerden verursacht“, erwiderte Mrs. Hendry. Sie sah Allegra an. „Warum schreit dieser Mann? Hört er schlecht?“
Allegra kicherte, und Neils Gesicht färbte sich rot. Die Röte breitete sich auf seinem Hals aus.
Lucas’ finsterer Blick traf Allegra. „Benimm dich, Ally“, befahl er. Er wandte sich Neil zu. „Wollen wir uns in Arbeitszimmer zurückziehen?“
Neil nickte. „Sehr gerne, Lucas. Ich habe ohnehin etwas mit dir zu besprechen, das nicht für fremde Ohren bestimmt ist.“
„Setz dich.“ Lucas ging an seine Bar. „Ein Brandy?“
Neil verneinte. „Du weißt doch, dass ich einen Sherry oder Whisky vorziehe.“
Lucas zuckte mit den Achseln. Er reichte seinem Cousin den gewünschten Whisky und setzte sich hinter den Schreibtisch. Er stützte seine Ellenbogen auf und bildete mit Fingern und Daumen ein Dreieck, dessen Spitze die Zeigefinger bildeten, auf die er sein Kinn lehnte.
„Nun?“, erkundigte er sich, neugierig, was Neil ihm zu sagen hatte.
Neil drehte den Tumbler in seinen Händen, beobachtete den hin und her schwappenden Whisky eine kurze Weile und entschied dann, Lucas zu antworten.
„Du bist vom Fluch der St. Clares heimgesucht“, begann er wenig taktvoll.
Lucas senkte seine Hände und verschränkte die Finger. „Wie kommst du auf diesen Gedanken?“
Neil trank und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich war neulich abends da.“
Lucas’ Griff verstärkte sich, sodass seine Knöchel weiß hervortraten. „Wann?“
Neil zuckte mit den Schultern. „Du wirktest betrunken. Ich dachte mir nichts dabei, erst als ich bemerkte, dass du nicht nach Alkohol rochst, wurde ich stutzig.“ Er beugte sich vor und stellte sein Glas ab. „Um Himmels willen, Lucas, warum hast du denn nie etwas gesagt?“
Kälteschauer rieselten über Lucas’ Rücken. Schock fraß sich durch sein Gehirn. Hatte er tatsächlich Anfälle, von denen er nichts wusste? Verfiel er dem Familienleiden, so wie Lady Edwina, wie Bethany?
Neil verschränkte die Arme vor der Brust und fixierte Lucas. „Lass mich dir helfen, Lucas. Ich kenne einen Arzt …“
„Kein Arzt!“, fiel Lucas Neil schroff ins Wort. „Diese Quacksalber spielen nicht mit mir herum.“
Neil seufzte. „Lucas, denkst du auch an Allegra? Solange du dich um sie kümmern konntest, war alles in Ordnung. Aber nachdem dich ebenfalls der Wahnsinn der St. Clares befallen hat, müssen wir uns etwas überlegen.“ Neils Miene wirkte ausdruckslos.
Lucas erinnerte sich, wie er Allegra einmal in Neils Obhut gelassen hatte, weil er dringende Geschäfte in London erledigen musste. Er hatte feststellen müssen, dass Neil Allegra in einem Zimmer eingesperrt, sie nachts gar ans Bett gefesselt hatte.
Eher würde Lucas sterben, bevor er zuließe, dass Neil sich um Allegra kümmerte! Er vertraute Neil alles an, nur nicht die Vormundschaft über Allegra, nicht, solange sie sich über das Verhalten Allegras uneins waren.
„Mach dir keine Gedanken, Neil“, entgegnete Lucas. Er stand auf und deutete auf die Tür. „Wenn du mich entschuldigen würdest? Ich habe heute noch einiges zu erledigen.“
Neil seufzte. „Ich meine es nur gut mit dir und Allegra. Immerhin sind wir eine Familie.“ Er erhob sich. „Falls du es dir anders überlegen solltest, sende mir eine Nachricht.“
Lucas nickte schroff. Er verharrte reglos, bis sein Cousin das Arbeitszimmer verlassen hatte, dann ließ er sich auf den Stuhl sinken. Himmel, war es um ihn schlimmer bestellt als gedacht? Er griff nach dem Whiskyglas und leerte es in einem Zug. Mit einem Krachen stellte er es auf die Tischplatte. Welch eine Ironie, dass gerade jetzt, als er zu denken glaubte, es wandle sich alles zum Besseren, die Dinge schlimmer denn je wurden.
Lucas zog eine Schublade auf und holte einige Papiere heraus. Er musste sich um die Umsetzung seiner Pläne kümmern. Neils Besuch hatte ihm gezeigt, dass er keine Zeit verlieren durfte.
Er vertiefte sich in die Unterlagen und bekam nur am Rande mit, wie Mrs. Hendry sich in der Halle lautstark von Violet und Allegra verabschiedete. Vom Hof her hörte er noch, wie die alte Dame den beiden aus ihrer Kutsche heraus eine Einladung entgegenschrie. Lucas rollte die Augen. Er ahnte, dass dies wieder der Beginn unerfreulicher Diskussionen sein würde. Um das Letzte bisschen Haltung zu bewahren, schob er den Gedanken beiseite und kümmerte sich um die Verträge vor sich.
Violet befand sich auf dem
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