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Masken der Begierde

Masken der Begierde

Titel: Masken der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Paul
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dir nicht gefällt: Du solltest dringend einen Arzt zurate ziehen!“
    Lucas brummte. „Mir geht es gut. Vielleicht sollte ich eine Zeitlang auf meinen abendlichen Brandy verzichten.“
    Neil verzog die Miene. „Ganz bestimmt, die Vermeidung vertrauter Rituale löst das Problem garantiert“, spottete er. „Ich würde möglichst keine Veränderungen des Tagesablaufs vornehmen. Der menschliche Geist braucht die festen Gerüste aus Tradition und Gewohnheit. Ein wenig Alkohol entspannt. Es kann nicht verkehrt sein, an deinem Schlummertrunk und der abendlichen Zigarre festzuhalten.“ Neil zuckte mit den Achseln. „Aber halte es, wie du meinst. Ich kehre nach Hause zurück, bevor es erneut zu regnen beginnt.“ Neil wandte sich zum Gehen.
    „Neil?“
    Der andere Mann drehte sich um.
    „Danke.“ Lucas nickte ihm zu.
    „Gern geschehen.“
    Als Neil gegangen war, sank Lucas in das Polster seines Sessels. Ein neuer Anfall, in kürzerem Abstand als der Letzte. Würde er seinen Verstand verlieren? Als sabbernder, wirrer Geisteskranker enden, den die Familie sorgsam vor der Außenwelt verbarg?
    Welche Familie? Es gab nur noch Neil und Allegra. Allegra, ein Mädchen und ebenfalls mit dem Makel eines schwachen Geistes behaftet, wäre nicht in der Lage, sich um ihn zu kümmern. Über Neils Pläne in solch einem Fall machte sich Lucas keine Illusionen. Neil hätte ihn und Allegra schneller in eine Irrenanstalt abgeschoben, als ein Gelehrter das Wort buchstabieren konnte. Neil neigte weder zu Sentimentalitäten noch zu Samaritertum.
    Und dann gab es da noch Violet. Wunderbare, bezaubernde Violet. So absolut perfekt. Und doch so unerreichbar. Er würde ihr nicht zumuten, an einen Irren gefesselt zu sein. Schlimm genug, dass er ihr die Fürsorge für Allegra auferlegte. Er würde ihr nicht auch noch die Last seines Wahnsinns aufbürden. Er hatte entschieden, was zu tun wäre. Er benötigte nur genug Mut, um sein Vorhaben umzusetzen. Allegra wusste er wohlversorgt. Die Güter und der Titel gingen im Falle von Lucas Ableben an seinen Cousin Neil, der sich bestens darum kümmern würde. Alles fände ein gutes Ende.
    Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen.
    Ein Hunger ganz besonderer Art überkam ihn. Nach Violet und ihrer Wärme, ihrer zarten, duftenden Haut, ihren fordernden Berührungen, ihren leisen Seufzern, ihrem hingebungsvollen Körper. Er stöhnte. Er durfte ihr nicht mehr nahe kommen. Seine Vernunft riet ihm, sich von ihr fernzuhalten, ihr Bett nicht mehr aufzusuchen. Doch sein Herz und seine Seele verlangten nach ihr. So sehr, dass er sich wenig später vor ihrer Zimmertür wiederfand, ohne genau zu wissen, wie er hierhergekommen war.
    Sein Herz schlug wild. Er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen und erinnerte sich, wie befreiend es war, sich in ihr zu versenken. Von ihrem heißen feuchten Fleisch umfangen zu sein. Sich in ihr zu verströmen, die Lust und die hemmungslose Begierde in ihrem Blick zu erkennen.
    Seine Hand legte sich auf den Türgriff. Doch dann schaltete sich sein Verstand ein und erinnerte ihn daran, wie er sich gefühlt hatte, wenn ihn die Frauen, die er liebte oder begehrte, zurückgewiesen hatten. Wie sie sein Herz gebrochen hatten, wieder und wieder.
    Tat er Violet nicht genau dasselbe an, wenn er zu ihr ging, wenn er ihr Bett aufsuchte, obwohl er doch nur zu genau wusste, dass sie romantische Gefühle füreinander entwickelt hatten? Wäre es nicht ehrlicher, kehrtzumachen, in sein eigenes Bett zurückzukehren und die Beziehung zu Violet einschlafen zu lassen, sie in geschäftliche Bahnen zurückzulenken?
    Er verletzte Violet auf jeden Fall. Doch als Ehrenmann sollte er wenigstens versuchen, den Schmerz so gering wie möglich zu halten.
    Entschlossen machte er kehrt und lief den Gang hinunter.
     
    Violet erwachte mitten in der Nacht und überlegte, was sie geweckt haben mochte. Sie hörte Schritte vor der Tür und das Scharren der Klinke, das verriet, dass sich da jemand befand. Violet sah hinüber zu ihrer Zimmertür, und als sie beobachtete, wie sich die Klinke ein wenig senkte, erwartete sie, dass sich die Tür öffnen würde. Doch die Augenblicke verstrichen. Die Klinke hob sich wieder, und wer auch immer dort draußen gestanden hatte, entfernte sich. Violet vernahm das Knarren und Raunen der uralten Dielenbretter, als der nächtliche Besucher den Flur entlangging.
    Sie war sicher, dass Lucas vor ihrer Tür gewesen war. Warum war er nicht hereingekommen, und weshalb erschien er

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