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Masken der Begierde

Masken der Begierde

Titel: Masken der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Paul
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Nacht hatte sie die Muße gehabt, um in Bethanys Aufzeichnungen weiterzulesen. Da Allegras Mutter Lady Edwina wiederholt erwähnte, hielt Violet es für ratsam, sich mit der Geschichte von Edwina St. Clare vertraut zu machen. Vorsichtig blätterte sie in der Chronik und fühlte nach einer Weile einen Luftzug, der ihren Nacken streifte. Fröstelnd zog sie die Schultern hoch. Sie drehte sich zur Tür um, fand diese jedoch fest verschlossen. Irritiert wickelte sie ihre Stola fester um ihren Oberkörper, ehe sie an die Fenster trat und die Riegel davor überprüfte.
    Das Gesicht, das sich unvermutet an die Scheibe presste, ließ Violet schreiend zurückzucken. Die schwarzen Augen starrten zornig ins Innere des Hauses, und der Mund war zu einer verkniffenen Linie zusammengepresst. Violets Magen schlug Saltos, und der Inhalt schien verklumpt zu sein. Vor lauter Schreck hämmerte ihr Herz so wild, dass das Echo gegen ihren Kehlkopf vibrierte und sie sich unfähig fühlte, zu schlucken. Einen Moment lang war sie gar außerstande, sich zu bewegen. Nichts an Clark Sterling wirkte wie der schweigsame, aber sympathische Junge, der Allegra noch vor einiger Zeit geküsst hatte. Als Clark Violet erkannte, wich er zurück wie ein ertappter Hund und verschwand in der Dunkelheit.
    Violet schlang ihre Arme um den Körper und rang mit ihrer Fassung. Sie keuchte, schluckte und merkte erst jetzt, wie sehr sie sich erschrocken hatte.
    Die Tür zur Bibliothek wurde aufgerissen. Lucas stürmte herein. In der Hand hielt er eine Pistole. Sein Blick durchsuchte den Raum, und als er keine Gefahr wahrnehmen konnte, ließ er die Waffe sinken.
    „Weshalb schreist du wie eine Verrückte?“, fragte Lucas säuerlich, kontrollierte aber dennoch den Raum, als wolle er letzte Zweifel beseitigen.
    Hinter ihm tauchte Allegra auf. „Ihr duzt euch?“, wollte sie neugierig wissen, lenkte ihr Interesse jedoch sofort auf den Grund für Violets entsetzten Aufschrei. Sie drängte sich an Lucas vorbei und trat zu Violet. „Miss Delacroix, Ihr seid ganz bleich. Was ist passiert?“
    Violet winkte ab. „Bitte, nachdem dein Bruder mich mit Vornamen anredet, ist es nur fair, wenn du mich ebenfalls Violet nennst“, lenkte sie ab. Sie war sich nicht sicher, ob es eine gute Idee war, vor Allegra von ihrem Freund und seinem unheimlichen Auftauchen zu erzählen.
    „Also, was sollte der Krach eben?“, drängte Lucas auf Violet.
    „Ich habe hier nach etwas gesucht. Dann hörte ich ein Geräusch, glaube ich, vielleicht spürte ich auch nur einen Luftzug, und als ich die Fenster kontrollierte, starrte mich ein Gesicht an“, erzählte Violet.
    „Ein Gesicht?“ Lucas runzelte seine Stirn. „Wessen Gesicht?“
    Violet biss sich auf die Lippen und sah zu Allegra, die gerade in der Familienchronik blätterte. Violet deutet auf sie und schüttelte den Kopf. Lucas blickte zu Allegra und zurück zu Violet, ein kurzes Nicken zeigte seine Zustimmung.
    „Habt Ihr …“ Allegra verbesserte sich rasch. „Hast du in unserer Chronik gelesen, Violet?“
    Violet trat zu Allegra an das Lesepult. „Seit ich auf Halcyon Manor lebe, höre ich immer wieder von Lady Edwina. Ich fand es an der Zeit herauszufinden, wer sie war.“
    Allegra drehte sich zu Lucas um. Ihre Augen blitzten.
    „Violet will Edwinas Geschichte hören.“ Vorfreude schwang in ihrer Stimme mit.
    „Auf keinen Fall werde ich Violet mit der alten Gruselgeschichte langweilen“, wehrte Lucas ab. „Ich beschränke mich auf die Fakten.“
    Allegra stöhnte enttäuscht, setzte sich aber ohne zu murren in den Lehnsessel, um Lucas’ Erzählung zu verfolgen.
    „Die Geschichte ist schnell erzählt“, begann Lucas an Violet gerichtet. „Lady Edwina heiratete den ersten Earl of Pembroke im Jahre 1700. Sie hatte bald den Ruf einer Hexe. Die Leute fürchteten und mieden sie. Als dann 1703 der große Sturm über England wütete, hatten der Priester und die Bauern solche Angst, dass sie behaupteten, Edwina habe einen Wetterfluch über das Land verhängt. Erschwerend kam hinzu, dass ihr Mann Angus nicht auf Tredayn Castle weilte und Lady Edwina bereits Tage vorher Anweisungen erteilt hatte, das Anwesen sturmsicher zu machen. Der Pöbel stürmte am 8. Dezember 1703 die Burg und verbrannte Edwina auf dem Scheiterhaufen. Der Legende nach tobte das Unwetter fünf Tage lang, erst dann ließ der Sturm endlich nach. Irgendwann während dieses ganzen Chaos wurde ein Großteil der Burg zerstört, und Angus St. Clare erbaute

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