Masken der Lust (German Edition)
Antworten.»
Marco schien bemüht, seine Gedanken zu sammeln. «Sarah, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wie könnte ich der einzige Besitzer eines so alten Buches sein? Andere haben auf die leeren Seiten ihre Anmerkungen gekritzelt –»
«Das habe ich gesehen», warf sie mit gepresster Stimme ein. «Ich habe dich nicht für jemand gehalten, der in antiquarische Bücher kritzelt.»
«Nein, das tue ich nicht», sagte er. «Wie auch immer, keiner schien das Buch zu verstehen, was mich neugierig machte. Ich vertiefte mich eine Weile in die Verse und erkannte, dass ich sie verstehen konnte. Und als ich das Titelblatt betrachtete, wurde mir klar, dass ich entfernt mit seinem Autor verwandt war. Wir haben denselben Nachnamen. Einige, die ihn auch trugen, übten sich einst in schwarzer Magie.»
«Und deshalb nennst du dich Marco. Kein Nachname. Nichts zu verbergen, hm?»
«Nein», stieß er hervor. «Das liegt Jahrhunderte zurück, als Aberglaube und Wissenschaft häufig dasselbe waren.» Er war sich nicht sicher, ob er sie überzeugt hatte.
Natürlich führte mehr als ein Weg dorthin. Sie widerstand der Bitte in seinem schmachtenden Blick und blieb, wo sie war. «Kein Einwand dazu. Aber etwas ist seltsam an diesem kleinen Buch, und das hast du gewusst.»
«Sarah, ich bin ein Mann der Vernunft.»
«Hmpff.»
Marco lehnte sich an das Bettgestell zurück. «Wie gesagt, fand einer meiner Freunde, der Pariser Gelehrte, das Ganze recht bemerkenswert und bat mich, es für ihn ins Französische zu übersetzen.»
«Gelehrter, ha. Wohl eher Hexenmeister.»
Marco stöhnte auf. «Ich sage dir, so etwas gibt es nicht. Aber vielleicht …»
Sie musterte ihn wachsam.
Er holte tief Luft und setzte erneut an. «Vielleicht gab es das einmal, vor langer Zeit. Immer wenn ich einen Zauberspruch übersetzt hatte, geschah gleich darauf etwas Eigenartiges. Kleinigkeiten – eine volle Tasse war plötzlich leer, oder ich hörte Schritte, die mitten in der Luft waren. Aber der eigene Verstand spielt jedem solche Streiche. So etwas wie diese Leute im Nebel habe ich noch nie gesehen.»
Ihr schauderte, doch ein abenteuerlustiger Teil fragte sich, ob es möglich war, die Erscheinungen noch einmal zu sehen. Sie waren ihr nicht böswillig oder heimtückisch vorgekommen. Vielleicht kannten sich die venezianischen Gespenster ja mit Vergnügungen aus. Vielleicht ging es auf der übernatürlichen Seite der Welt so richtig ab. Wer wusste es zu sagen?
«Sobald ich alle Zaubersprüche übersetzt hatte –»
«Das Buch hat nicht sonderlich viele Seiten. Wie lange hast du gebraucht?»
Er lächelte. «Eine Weile. Ich musste außerdem die archaische Geometrie herausarbeiten, die sich in den Reimen verbarg –»
«Brr.» Sie hielt eine Hand hoch. «Auf der Highschool bin ich zwar zweimal in Geometrie durchgerasselt, würde mich aber erinnern, hätte Mr. Friedrich irgendwas über ihre Anwendung beim Zaubern gesagt.»
«Geometrie war grundlegend für die magischen Künste. Ebenso Algebra.»
«In dem Fach war ich ein Ass, warum auch immer, aber bis zu den Zaubersprüchen sind wir nie gekommen.»
«Spielt auch keine Rolle», sagte er geduldig. «Eigentlich will ich darauf hinaus, dass ich eine Menge Zeit mit diesem Buch verbracht habe, aber nie eine Erscheinung hatte.»
«Bis jetzt. Du hast doch diese Gestalten gesehen, oder?» Da. Sie hatte es ausgesprochen. Da waren Gestalten gewesen – oder die Schemen von Leuten – draußen vor dem verdammten Fenster. Warum schlich er wie eine Katze um den heißen Brei? Er hatte sie auch gesehen – hatte es selbst gesagt. Ich wollte, ich könnte es dir erklären, aber das kann ich nicht.
«Ich glaube schon.» Marco warf ihr einen schnellen Blick zu. «Jedenfalls wurde ich irgendwann mit der Übersetzung fertig und fand daraufhin einen neuen Zweck für das Buch.»
«Aha.»
«Eine Beziehung war gerade zu Ende gegangen – eine freundschaftliche auf gewisse Art, doch viel mehr war es nicht gewesen. Nachdem sie mich verlassen hatte, war ich zu viel allein. Es war wie ein Spiel: Ein Mann sitzt mit einem Büchlein in einem Café, eine Frau beobachtet ihn, ohne selbst beobachtet zu werden, und wenn sie interessiert ist, fragt sie ihn, was er da liest. Zum Schluss geht er mit ihr ins Bett … oder auch nicht.»
Sie richtete den Zeigefinger anklagend auf ihn. «Das zieht nicht. Ich habe dich mit Google ausgeforscht. Du stehst überall ganz oben auf der Liste. Du brauchst nicht in Cafés rumzuhängen,
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