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Masken der Lust (German Edition)

Masken der Lust (German Edition)

Titel: Masken der Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Mack
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das?»
    «Ah. Ein bocca di leone – das ist wie ein Briefkasten. Wenn du jemanden heimlich anzeigen willst, kannst du eine Nachricht dort hineinwerfen. Die Agenten des Rats der Zehn nehmen sich dann der Sache an.»
    Sarah fühlte, wie ihr ein leichter Schauder das Rückgrat hinauflief. Der Zauber und das leichtfertige Treiben Venedigs hatten eine dunkle Seite. Marco hingegen schien der Anblick des bocca nicht zu beunruhigen, da er fröhlich pfeifend weiterging. Von weitem sah sie das Schild des Buchladens, als sie über Marcos Schulter hinweg nach oben blickte.
    Die verschnörkelten Buchstaben auf dem Schild bildeten ein einzelnes Wort: Arcana . Bücher waren dekorativ im Schaufenster angeordnet worden, einige geschlossen und aufrecht, einige aufgeschlagen, als hätte ein Leser sie soeben abgelegt. Flugblätter mit politischen Karikaturen lagen neben einigen Zeitungen aus, und es gab Zeitschriften mit Stichen von Lokalschönheiten.
    Für jeden etwas. Nur ergab die Auswahl keinen Sinn. Sarah vergeudete nicht allzu viel Zeit, sich einen Reim darauf machen zu wollen.
    Ihr fiel eine Brille auf einer aufgeschlagenen Buchseite auf, die zwei Lichtflecken hinter sich warf. Hübscher Einfall.
    Marco blieb stehen, um die Auslage zu betrachten. «Nun, im Fenster liegt es nicht.» Er spähte durch die Scheibe ins Innere des Ladens, als erwartete er, es mitten auf dem Fußboden ausgestellt zu sehen.
    Er benahm sich wie ein Schriftsteller, der hoffte, seinen Titel besonders hervorgehoben zu finden, was irgendwie lustig wirkte. Was war los mit ihm? Er schien sich keine großen Sorgen wegen des Zauberspruchs zu machen, den sie umkehren mussten. Daran führte kein Weg vorbei – wenn er nur seinen Vorfahren auftreiben konnte. Oder ein wenig eigenen Zauber wirken ließe, der diesmal nichts mit Sex zu tun hätte. Doch er konnte kein Magier sein, selbst wenn er mit einem verwandt war, dachte sie.
    Marco war so warmherzig und sinnlich, ganz zu schweigen davon, dass er auch noch gut aussah. Magier und Zauberkünstler hatten alte Männer mit langen Bärten und Umhängen zu sein, die in griesgrämiger Einsamkeit in Türmen hausten, und keine Hengste mit Palazzi und schicken Schlafzimmern, die für lange Liebesnächte geschaffen waren.
    Oder könnte er doch einer sein? Marcos haselnussbraune Augen hatten auch in diesem Jahrhundert ihre zwingende und leicht geheimnisvolle Ausstrahlung behalten, die ihr bei der ersten Begegnung mit ihm aufgefallen war. Und Ombra, seine sogenannte Gefährtin, lief ihm ständig zwischen den Beinen umher. Fast überraschte es Sarah, dass die kleine graue Katze ihnen nicht zu dem Buchladen gefolgt war. Allerdings sah sie wie jede andere Katze aus und verhielt sich auch so. Wie Tausende andere venezianische Katzen.
    Mit einer galanten Verbeugung öffnete Marco die Tür für Sarah und ging selbst voran, als er erkannte, dass sie unaufmerksam war oder ihn nicht hinreichend würdigte. Sie kämpfte gegen die Versuchung an, ihm auf den Hintern in der Kniebundhose zu klapsen. Sarah war entschlossen, heute Nacht weitere Liebesdienste zu bekommen.
    Goldene Staubteilchen wirbelten bei ihrem Eintreten auf und blieben dann in der Luft schweben. Sie rümpfte die Nase über den modrigen, doch irgendwie angenehmen Geruch, eine Mischung aus Ledereinbänden, Pergament, Velinpapier und Tinte. Sarah nieste.
    Aus seinem Tagtraum aufgeschreckt, spähte ihnen ein älterer Mann hinter der intarsienverzierten Ladentheke aus Marmor neugierig entgegen. Unter seinen faltigen Lidern hatte er Augen von dem blassesten Grün, das man sich vorstellen konnte, wie Glas, wenn man es von der Seite betrachtete. Doch besonders der Glanz geschliffenen Scharfsinns darin verschlug ihr den Atem. Er schien jede Einzelheit an ihr zu registrieren, von ihrem blonden Haar, das die türkische Zofe sorgfältig frisiert hatte, bis zu ihren zierlichen Schuhen.
    Er nickte ihr recht höflich zu und begrüßte Marco in venezianischer Mundart. Die beiden Männer nahmen mit gesenkten Stimmen ein ernsthaftes Gespräch auf. Sarah sah sich im Laden um. Sie trat an eines der Regale, zog aufs Geratewohl einen Band heraus und blätterte die Seiten durch. Ein merkwürdiges Zeichen nach dem anderen fiel ihr ins Auge, ebenso die eng gesetzte Druckschrift jeweils darunter. Zweifellos wurden die abgebildeten Zeichen in den Unterschriften erläutert, doch sie wurde genauso wenig klug daraus wie bei dem Buch mit den Zaubersprüchen.
    Marco kam herüber, um nachzusehen, was sie

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