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Masken der Lust (German Edition)

Masken der Lust (German Edition)

Titel: Masken der Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Mack
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Taft eintauschen, die sie mit Hilfe der türkischen Zofe anprobiert hatte. Dazu trug man mehrere steife Unterröcke, die ein leises Knirschen von sich gaben, wenn man sich hinsetzte. Das Kleid war noch ein Schatz aus den Tiefen des armadio .
    Liebend gern würde sie damit prunken. Doch das Ganze hatte einen Haken: Sie würde weder die Schmeicheleien noch die sexuellen Zweideutigkeiten, noch die Witze verstehen … noch sonst irgendetwas. Die Gäste würden Freunde von Marco sein und nicht ihre. Die Sprachbarriere und die schiere Abgefahrenheit der Tatsache, dass sie aus einer völlig anderen Zeit und ganz woanders herkam, setzten ihr zu.
    Das Brooklyn, wie sie es kannte, lag in ferner Zukunft, wie auch ihre Bude mit den kahlen Wänden, in der sie zur Untermiete wohnte. War Heimweh nach einem Ort möglich, der nicht einmal ihr Zuhause war?
    Sie fragte sich, wo ihre Freunde eigentlich steckten. Ein gutes Jahr nach ihrem Collegeabschluss waren sie überall im Land verstreut. In New York herrschte ein erbitterter Wettbewerb um Jobs im Kunstbereich. Die Verlierer endeten häufig damit, für fünf Dollar Stundenlohn in schmierigen kleinen Cafés am Espressohebel zu stehen und den Trinkgeldtopf mit bemitleidenswerten, gewollt lustigen Bettelsprüchen zu bekleben. Nähre den Künstler, nimm dem Kapitalisten. War am Ende des Tages genug Wechselgeld von schuldbewussten Kapitalistenhänden in den Topf gewandert, wurde die Ausbeute von den Thekenkräften durch fünf geteilt. Sie hatte sich glücklich geschätzt, den Job bei WetPaint bekommen zu haben – doch mittlerweile hatte sie ihn ja gekündigt.
    Sarah zog den Beutel Dukaten aus einer Geheimtasche in ihrer Robe. Sie lagen beruhigend schwer in ihrem Schoß und klimperten vielversprechend in ihrem Beutel. Doch wie viel wären sie in der wirklichen Welt wert, und würde sie den Mut haben, auf der Lexington Avenue eine Münzhandlung zu betreten und sich danach zu erkundigen?
    Pfff. Nach diesem Abenteuer hatte sie zu allem Mut. Vielleicht waren die Dukaten ja ein Vermögen wert. Mit dem Reichsein würde sie schon klarkommen. Ihre Freunde wären verblüfft. Pah. Es hatte keinen Zweck, Leute beeindrucken zu wollen, die sich nichts aus ihr machten. Sie hatte keinem von ihnen richtig nahgestanden.
    Was nun ihre Eltern anging … tja, die waren gänzlich aus dem Rahmen gefallen. Sie hatten ihre Tochter bei den Großeltern abgeladen und waren im Norden des Bundesstaats New York einer Sekte beigetreten. Sarah bekam Postkarten an Feiertagen, von denen sie noch nie etwas gehört hatte, mit einem vielarmigen Gott auf der einen und den Worten Unendliche Weisheit auf der anderen Seite.
    Sie hatte ihre Großeltern geliebt, doch sie waren vor einigen Jahren nur wenige Monate nacheinander gestorben. Da sie jedoch die Fähigkeit besaß, nach vorn zu blicken, was das Leben auch bringen mochte, hatte sie ein Flugzeug bestiegen und war nach Venedig gereist, ohne auf irgendwen außer sich selbst Rücksicht nehmen zu müssen.
    Was nicht zwangsläufig eine gute Sache war.
    Und was hatte Marco im Buchladen gesagt, dass er sie liebe? Ach, richtig. Auf seine Art. Das hatte er noch hinzufügen müssen. So sehr würde er sie schon nicht vermissen. Sie aber würde seinen liederlichen Charme vermissen und den großartigen Sex und ihre Zukunft, welche auch immer sie gehabt hätten, sobald sie in ihr eigenes Jahrhundert zurückkehrten. Wenn sie ihn in diesem zurückließe, würde sie ihn nie mehr wiedersehen.
    Dir kann nicht fehlen, was du nicht gehabt hast, sagte sie sich verbissen.
    Tränen stiegen ihr in die Augen, und eine davon hinterließ einen großen Fleck, als sie auf die helle Seide tropfte. Mit flacher Hand rieb sie die anderen fort, ehe auch sie herabtropfen konnten. Sarah war kurz davor, aus Einsamkeit in bitteres Schluchzen auszubrechen, doch sie wusste, dass Heulen reine Zeitverschwendung war.
    Ombra sprang auf ihren Schoß und starrte mit chartreusegrünen Augen voller Mitgefühl zu ihr empor. Wie hatte die kleine Katze die Tür aufbekommen? Sarah blickte auf und sah, dass sie noch immer geschlossen war. Ombra legte eine Pfote auf den Beutel, und die Goldmünzen klimperten.
    «Warst du schon im Zimmer? Du bist eine kleine Streunerin, Ombra», sagte sie leise. Sie streichelte das graue Fell der Katze und stieß einen langen, traurigen Seufzer aus. «Aber das sind wir dann wohl beide. Vielleicht sollte ich ihm sein Geld nicht stehlen.»

    Noch immer trafen Gäste ein – Sarah kam es vor, als

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