Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Masken der Lust (German Edition)

Masken der Lust (German Edition)

Titel: Masken der Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Mack
Vom Netzwerk:
habe dir doch gesagt, dass da draußen nichts ist. Es ist allerdings ein hübscher Fleck auf seine einsame Art. Ein paar Fischer sind vielleicht draußen. Wir werden Fisch kaufen, über offenem Feuer garen und auf ländlich machen.»
    «Hmm, Flunder am Spieß, mein Lieblingsessen.»
    Sie betrachtete die alten Palazzofassaden und die einfacheren, sogar noch älteren Häuser, die von der Morgensonne erhellt wurden. Jedes einzelne wollte sie sich einprägen und in ihrer eigenen Zeit wiederfinden.
    Einmal mehr ging es auf den Canal Grande hinaus, wo eine steife Brise kleine Wellen aufpeitschte und sie mit einem Hochgefühl erfüllte. Sie kehrte dorthin zurück, wo sie hingehörte, das war alles. Aber sie ging nicht fort. Darin lag ein Unterschied.
    Es waren fast keine anderen Boote unterwegs, und sie kamen zügig voran. Bei der Fahrt hinaus auf die Lagune blies der Wind kräftiger, und Federico ruderte angestrengter und sang dazu mit allem, was seine Lungen hergaben. Der Wind riss die Worte mit sich fort.
    Ihre Hutkrempe klappte zurück, und Sarah blinzelte. Am Horizont konnte sie einen schmalen Landstreifen ausmachen, aber kaum Einzelheiten, da die Sonne noch tief am Himmel stand.
    Sie wandte sich Marco zu, dessen haselnussbraune Augen glühten. Der Wind zauste sein Haar in alle Richtungen, und die schwarzen Strähnen flatterten ihm ins Gesicht. Er wischte sie ungeduldig fort und blickte sie grinsend an.
    «Na dann. Du wirst deinen Tag am Strand bekommen.»
    «Ich freue mich darauf.» Sarah hielt ihren Hut fest und blickte sich nach Venedig in all seiner von der Morgensonne vergoldeten Herrlichkeit um. Der Campanile auf dem Markusplatz ragte hoch über die Kuppeln und Turmspitzen und alle anderen Gebäude Venedigs, die so eng beieinanderlagen, dass die Stadt ein auf dem Wasser schwimmendes Ganzes bildete, einen Ort der Träume und Musik und eine Brutstätte für die Sünde. Seine Schönheit übertraf alles andere.
    In weniger als einem Tag würde sie dorthin zurückkehren.

Sechstes Kapitel
    Federico legte neben Veronicas Gondel an – Sarah bemerkte die silberne Plakette am Boot mit ihrem Nachnamen Suona.
    Auch diese Gondel war schwarzlackiert, doch ihre Besitzerin hatte die Gesetze gegen Extravaganz insofern umgangen, als die in den Lack geätzten Zeichen und Sinnbilder nur bei bestimmtem Lichteinfall sichtbar waren. Die Wirkung ähnelt den verborgenen Flecken auf einem Panther, dachte Sarah. Man bemerkte sie erst, wenn der Panther sehr nahe war.
    Die schnittige Form der Gondeln stand in verblüffendem Gegensatz zu den grob gefertigten, aber widerstandsfähigen Fischerbooten, von denen einige am Pier vertäut, andere einfach auf den Sand gezogen worden waren. Das Meer würde sie nicht zu sich holen können, denn das Wasser auf der entgegengesetzten Seite der Insel war ziemlich ruhig. Die Bootseigner waren nirgends zu sehen und Veronica Suona ebenso wenig.
    Sarah betrachtete die Sinnbilder, mit denen ihre Gondel verziert war. Einige waren geometrisch und abstrakt, einige stellten den menschlichen Körper dar – am Bug entdeckte sie Leonardos vitruvianischen Mann in dem Kreis, Arme und Beine ausgestreckt, nackt und vollkommen. Einen Augenblick lang schien die Figur das Antlitz Marcos zu haben. Sie blinzelte, und der Mann wurde wieder zu der vertrauten Abbildung körperlicher Verhältnisgrößen aus der Kunstgeschichte.
    Marco half ihr aus dem Boot. «Veronica ist vorausgegangen.» Er wies nickend auf die schmalen Fußstapfen im Sand und auf die anderen, breiteren und kräftigeren, die ihnen folgten. «Natürlich hat sie ihre Diener mitgebracht.»
    La-di-da. Aber jede venezianische Dame hatte nun einmal Dienstboten. Es waren die Sinnbilder auf der Gondel, die Sarah ein wenig beunruhigten. Sie befürchtete, dass man Veronica nicht unterschätzen durfte. «Sollen wir uns sofort mit ihr treffen?»
    Er zuckte die Achseln. «Nein. Sie erwartet uns nicht vor Anbruch der Dämmerung, und sie weiß nicht, dass wir schon hier sind.»
    «Wie wirst du sie finden?»
    «Sie sagte, sie werde auf der Meeresseite sein.» Er streckte den Arm aus. «Dort entlang, ein paar Meilen von hier. Komm, gehen wir in die andere Richtung. Wir können später zurückkommen und essen. Federico wird sich um alles kümmern.»
    Sarah zog sich die Schuhe von den Füßen, wickelte ihre bauschigen Röcke um sich und war dankbar für seinen wärmenden Arm um ihre Schulter. Der Wind war abgeflaut, aber sie standen am Meeresufer, und es war kälter als in

Weitere Kostenlose Bücher