Masken der Lust (German Edition)
Veronica aus dem Kanal zu fischen.
«Was wird mit ihr geschehen?»
«Das kümmert mich nicht.»
«Sie hat uns doch zurückgebracht. Sie hat dir das Buch der Zaubersprüche gegeben, Marco. Wir schulden ihr … irgendetwas.»
« Dir hat sie das Buch der Zaubersprüche gegeben. Wahrscheinlich hat sie gehofft, dass du deren Wirkung verstärkst. Sie wollte eine Gratistour, und die hat sie bekommen.»
Sarah beeilte sich, um mit ihm Schritt zu halten. Es kostete Mumm, sich nackt durch eine Stadt voller Leute zu bewegen, und den hatte er wirklich. Marcos veränderliche Augen hielten derzeit nur eine einzige Botschaft bereit: Geht mir bloß aus dem Weg. Sie erreichten den landseitigen Eingang zu seinem Palazzo. Er rüttelte am Türknauf, als ihm klar wurde, dass er keinen Schlüssel dabeihatte.
«Welcher Tag ist heute?»
Sarah rief sich die Zeitung ins Gedächtnis. «Freitag.»
«Heute kommt Iva. Meine Putzfrau.»
Eine kräftig gebaute Frau in reifen Jahren kam mit einem Einkaufskorb aus Plastik und einer Handtasche die Straße herunter.
Den Hut ließ Marco an Ort und Stelle, als er hinter Sarah trat.
«Buon giorno!» , rief die ältere Frau.
« Buon giorno , Iva.» Marco senkte den Kopf, um Sarah ins Ohr zu flüstern, während die Putzfrau in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel suchte. «Sie kommt aus der Slowakei. Sie spricht nur wenig Englisch oder Italienisch.»
Sarah nickte. Vermutlich würde eine Frage wie Warum sind Sie nackt und haben nichts an? ohnehin unter der Übersetzung leiden.
Iva blickte erstaunt auf Sarah und Marco, sagte aber nichts. Sie fand den Schlüssel, öffnete die Tür und stapfte vor ihnen die Stufen hoch. Marco bildete bei diesem seltsamen Aufmarsch die Nachhut. Als die Putzfrau im ersten Stock nach links abbog, stürmte er zum Badezimmer und warf Sarah den Hut des Gondoliere zu.
Sie fing ihn auf und trat wenige Augenblicke, nachdem er im Bad verschwunden war, ins Schlafzimmer. Ah ja. Kein Nachtgeschirr mehr. Die Spülung klang wie Musik in ihren Ohren.
Irgendwie schien es der endgültige Beweis zu sein, dass sie zurück waren. Wenn sie nun noch herausfinden könnte, ob ihr nach Lachen oder Weinen zumute war, wäre alles großartig. Doch sie waren hier und in Sicherheit, und das zählte am meisten. Nicht einmal ihren Flug hatte sie versäumt.
Sarah ließ sich in einen Sessel aus Leder und Stahlrohr fallen, saß mit aneinandergeschmiegten Knien und angezogenen Zehen darin, die Haltung einer Frau ohne Unterwäsche. Irgendwann würde sie ihren Seesack aus Signora Dolcettis Herberge holen müssen. Es war furchtbar nett von dem Gondoliere gewesen, ihr seinen gestreiften Pullover zu überlassen. Sie wollte ihn zurückgeben, obwohl sie ihn gern behalten hätte. Was für ein Andenken – und was für eine Geschichte. Die sie nie würde erzählen können.
Marco drehte die quietschenden Wasserhähne bis zum Anschlag auf und stieg unter die Dusche, um sich zu gründlich zu waschen. Wie schon einmal kräuselten sich Dampfschlieren unter der Tür hindurch und ließen sie an das erste Mal zurückdenken, als sie das Buch der Zaubersprüche in den Händen gehalten hatte.
Verdammt. Wo war es jetzt? Ohne das Buch könnten sie Veronica Suona nicht zurück ins achtzehnte Jahrhundert bringen. Die Zauberin hatte es ihr ja wirklich gegeben, wie ihr wieder einfiel, aber sie war nackt angekommen, ohne irgendetwas bei sich zu haben.
Sie hörte, wie Marco das Wasser abstellte und sich mit einem flauschigen Handtuch leise singend abtrocknete. Er klang so, als sei er wieder auf dem Damm. Sie war nur froh, dass sie nicht im Krankenhaus gelandet waren. In ihrem benommenen Zustand hätte sie versucht, die Geschichte zu erklären, und sie allesamt in eine Nervenheilanstalt gebracht.
Er kam heraus, ein Handtuch tief um die Hüften gebunden und ein weiteres über die Schulter geworfen. So sah er aus wie ein Model aus einer Rasierklingenreklame.
«Es geht mir besser, Sarah. Was ist mit dir?»
Aus seinen Haaren tröpfelte ihm Wasser über die Brust, das er mit dem Handtuch wegwischte. Schwarze Haare, weißes Handtuch, er passte in seine Einrichtung. Sie bemerkte, dass sein Haar nicht mehr so lang war wie zuvor, und berührte ihr eigenes – verdammter Mist. Was immer ihr seidige Locken bis zur Taille verliehen hatte, hatte sie ihr wieder genommen und ihren Schnitt genauso kurz wie zuvor geraten lassen.
Verflixt. Ihr hatten die langen Haare gefallen. Sah ein wenig nach Gwyneth Paltrow aus. Nun, sie konnte
Weitere Kostenlose Bücher