Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
war leer, sie war viel zu erschöpft.
»Du solltest dich reinigen«, sagte er, ohne sich nach ihr umzudrehen.
Ferin entwich ein zynisches Lachen. Er wusste es. Wieder einmal. »Er wird leben«, erwiderte sie trotzdem. »Ich konnte ihn heilen.«
»Ja. Ich habe nie daran gezweifelt, dass es dir irgendwann gelingen würde.«
»Da wusstest du mehr als ich.«
»Genau das war das Problem.«
»Vermutlich.« Und so einiges mehr.
Sie ging an ihm vorbei, ließ sich vor dem erloschenen Feuer nieder und begann mit der Reinigung. Als der Atem des Waldes in ihre Lungen strömte, Blockaden löste und jede Faser ihrer Muskeln mit neuem Leben erfüllte, als der Schmerz und die Erinnerung an sein Stöhnen ihren Körper verließen, als alles Störende und Hemmende von ihr abfiel, fand sie sich.
Sie fand sich selbst.
Ja, das hier, im Herzen des Dschungels, in dieser gefährlichen und doch so faszinierenden Welt, war sie. Die Person, die gerade einen Menschen vor dem Tode bewahrt hatte, die über die Gabe verfügte, andere zu heilen, die impulsiv und zornig, ehrgeizig und entschlossen sein konnte, die einen Tiger zum Freund und einen Magier zum Lehrer hatte. Das war sie. Ferin.
Lange blieb sie sitzen, sog die kraftvolle Energie der Erde über ihre Handflächen in sich auf, spürte ihr Fließen, ihr Wogen, ihr Pulsieren. Spürte ihre Lebendigkeit.
Sie war befreit.
»Sie hieß Alia«, sagte Sobenio ganz unvermittelt in die abendliche Stille hinein, und Ferin wandte sich überrascht nach ihm um. »Sie war keine Schönheit, doch sie hatte das sonnigste, mitfühlendste Wesen, das man sich vorstellen kann. Eine feinere Seele habe ich nie kennengelernt. Ich liebte sie von ganzem Herzen.«
Ein Lächeln erhellte sein Gesicht, sein Blick war nach innen gerichtet. Ferin hatte das unbestimmte Gefühl, dass dies der Anfang einer langen Geschichte war, und so setzte sie sich zu ihm.
»Wir wollten zusammen leben. Heiraten«, fuhr er fort, und sein Lächeln verstärkte sich. »Alia hatte eine ganz besondere Begabung. Sie konnte Menschen ins Herz sehen. Sie sah ihre Ängste und Zweifel, ihren Mut. Sie sah Falschheit, Zorn und Hass, aber auch Liebe. Sie sah den wahren Charakter der Leute um sie herum. Sie konnte sogar hinter die Maske blicken und erkannte die Fähigkeiten der Pheytaner sofort. Nichts blieb ihr verborgen. Das belastete sie sehr – es gibt so viel Schlechtes auf der Welt.«
Sinnend starrte er ins Leere. Ferin wagte es nicht, ihn mit einer Frage zu unterbrechen, aus Angst, er könnte sich wieder vor ihr verschließen.
»Ich war noch jung, als ich sie zum ersten Mal traf. Neunzehn. Ich zog mit Odor, einem fahrenden Händler, durch die Lande, der wie ich unmaskiert war. Wir kauften und verkauften Waren, und während unserer Reisen unterrichtete er mich im Lesen und Schreiben – und in magischen Fertigkeiten. Ich hätte Talent, meinte er. Ich hielt ihn für einen Schwindler, bildete mir ein, seine kleinen Tricks zu durchschauen. Damals hatte ich keine Ahnung von Zauberkunst.
Erst bei einer Kontrolle durch die Garde wurde mir klar, dass er ein größerer Magier war, als ich geahnt hatte. Ich hielt mich auf unserem Wagen versteckt, während Odor mit den Soldaten sprach. Er schaffte es tatsächlich, ihnen ein maskiertes Gesicht vorzugaukeln, und sie ließen ihn anstandslos weiterfahren. Als ich ihn danach fragte, sagte er: ›Das, Sobenio, ist Magie.‹
Von diesem Zeitpunkt an wollte ich alles über Zauberei lernen. Es konnte mir nicht schnell genug gehen, ich sehnte jeden neuen Tag herbei, so begierig war ich, in die Geheimnisse der Magie vorzudringen. Ich stellte mich nicht ungeschickt an, und bald bildete ich mir ein, ein guter Magier geworden zu sein. Odor ließ mich in dem Glauben, wohl um mich zu ermutigen und mich bei der Stange zu halten. Er hätte es besser nicht getan.«
Sobenio griff nach dem Tier und plazierte es auf seinem Schoß. Dem Chamäleon gefiel das gar nicht, behende kletterte es an seinem Oberarm wieder hoch und wechselte auf Ferins Schulter. Es trat ein wenig hin und her, dann kauerte es sich in ihre Halsbeuge. Ferin ließ es gewähren, zumal es sich ihr noch nie auf diese Art genähert hatte.
»Kleiner Schurke, du wirst mir untreu.« Sobenio schmunzelte und rubbelte sich über den kahlen Schädel. »Alia. Ich wollte dir von ihr erzählen, stattdessen rede ich nur von mir. Nun, eines Tages erreichten wir Kómund, wo sich zu jener Zeit das einzige Straflager für Unmaskierte befand. Nicht ungefährlich
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