Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
einem zitternden Atemzug die Arme um seinen Oberkörper, und Ferin meinte, in seinen Augen Tränen glitzern zu sehen.
»Es tut mir so leid«, flüsterte sie ergriffen. Sie bemühte sich gar nicht erst, ihre eigenen Tränen zu verbergen. Sobenio blickte still in die Dunkelheit, ohne sich zu rühren.
»Sie musste sterben«, sagte er nach einiger Zeit, »weil sie mich liebte und mir helfen wollte. Hätte ich sie in Kómund gleich zu einem Heiler gebracht, hätte sie gerettet werden können, davon bin ich überzeugt. Ich wäre vermutlich gehängt worden, doch für ihr Leben hätte ich meines gern gegeben. Und sie musste auch deshalb sterben, weil meine Fähigkeiten nicht ausgereift waren. Ich habe ihren Tod doppelt zu verantworten, und weiß der Himmel, ich habe vierzig Jahre lang Buße dafür getan und es mir nie verziehen.«
Er seufzte, löste sich aus seiner Starre und stand auf. »Ich kann derartige Verletzungen nicht heilen, Ferin. Ich bin nicht gut genug, und ich habe mir geschworen, mich nie wieder daran zu versuchen. Darum ist deine Gabe auch so wunderbar und wichtig. Denn du kannst es – das hast du heute bewiesen.«
Ferin stand ebenfalls auf. Das Tier erschrak, kletterte eiligst an ihr herab und flüchtete in ein Gebüsch. »Sag so etwas nicht. Du bist gut. Du hättest den Merdhuger ebenso retten können«, widersprach sie.
»Gewiss nicht. Kleinigkeiten heilen – ja. Mehr schon nicht mehr. Ich bin auch kein großer Magier, wie hier alle denken. Ich bin nur ein Zauberschüler, der seine Ausbildung nicht abgeschlossen hat.«
»Aber nein. Du redest dir das nur ein, weil es leichter ist, an dein Versagen zu glauben als an deinen Erfolg. Ich bin sicher, dass du es schaffen könntest, wenn du dir nur selbst vertrauen würdest.«
Sobenio lächelte schief. »Ich höre meine eigenen Worte aus deinem Mund. Du hast gut aufgepasst. Doch all das, was ich andere lehre, ist nicht auf mich selbst anwendbar. Leider. Es ist nicht so, dass ich es nicht versucht hätte.« Er hob die Hand, etwas Grünes glühte darin. »Das ist ein magischer Stein. Er gehörte Narab, einem der größten Magier der Pheytaner«, erklärte er. »Odor gab ihn an mich weiter, bevor er starb. Er meinte, der Stein werde mir eines Tages gehorchen. Ich könne damit die Magie noch effektiver nutzen. Über die Elemente gebieten, in die Zukunft blicken, Visionen empfangen. Aber der Stein gehorcht mir nicht. Jahrelang habe ich mich bemüht, meine Kräfte zu verbessern. Habe gelernt, geübt, probiert. So sehr ich mich auch anstrenge, der Zugang zu wahrer Magie bleibt mir verwehrt. Wann immer ich den Stein zur Hand nehme, scheint er sich gegen mich zu wenden.«
»Darf ich?«, fragte Ferin und streckte ihre Hand aus.
Sobenio reichte ihr den Stein. Obwohl er im Dunkeln leuchtete, war er kalt, so als wäre keinerlei Energie in ihm. Ferin drehte ihn zwischen den Fingern hin und her und entdeckte ein Loch an der Spitze.
»Man soll ihn um den Hals tragen, denke ich«, beantwortete der Magier ihre unausgesprochene Frage.
»Hat Narab das auch getan?«
»Soviel ich weiß, ja.«
»Und weshalb tust du es dann nicht?«
»Wozu? Ich kann ja doch nichts damit anfangen.«
»Hm. Wahrscheinlich trug Narab ihn ständig bei sich. Der Stein war ihm nahe, näher noch als jeder Freund. Er war wie ein Teil von ihm. Hast du ihn jemals für längere Zeit um den Hals getragen?«
»Nein.«
»Ich glaube, das solltest du tun. Vielleicht muss sich der Stein erst an den neuen Träger gewöhnen, bevor er ihm gehorcht. Wenn du ihn trägst, wird er dich kennenlernen und du ihn. Wer weiß, womöglich offenbart sich seine Wirkungsweise ganz von allein? Trage ihn. Versuche es zumindest.«
Ferin gab Sobenio den Stein zurück, und er schloss ihn in seiner Faust ein.
»Ich werde jetzt gehen«, sagte er. »Ich schlafe in deiner Hütte, wenn du erlaubst. Du musst hierbleiben und dich um den Merdhuger kümmern. Ich lasse dir etwas zu essen schicken, du hast sicher Hunger. Gute Nacht.« Sobenio wandte sich um, nach wenigen Schritten hatte ihn die Nacht verschluckt.
»Danke!«, rief Ferin ihm nach. »Danke, dass du mich …« … eingeweiht hast, vollendete sie in Gedanken. Und dass du mir geholfen hast, zu mir selbst zu finden. Wie konnte er da von sich behaupten, kein Magier zu sein?
22 Gejagte
E s reicht!« Mit Riesenschritten durchmaß der Gán den Hof der Kaserne. Die Fackeln fauchten im Luftzug. »Der Galgen steht bereit, sie haben ihre Schlingen selbst geknüpft.« Eben
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