Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
nicht. Er ist so gut wie tot.‹ Und drei Tage später starb er, ist im Schlaf erstickt. Sobenio hätte ihm helfen können, er hätte es zumindest versuchen können. Aber er hat es nicht getan, er hat ihn einfach sterben lassen.« Rhys ging ohne ein weiteres Wort davon.
Ferin blickte ihm einen Augenblick hinterher, dann setzte sie sich vor das Haus, aß Brot und Fleisch und dachte nach. Dass Sobenio den Glauben an sich und seine Fähigkeiten verloren hatte, betraf nicht ihn allein. Alle mussten darunter leiden. Zuvor hatte seine Lebensbeichte sie viel zu sehr erschüttert, als dass sie deren wahres Ausmaß durchschaut hätte. Jetzt begriff sie, dass sein ganzes Gehabe, seine Grobheit und seine abweisende Art dazu dienten, den Schein zu wahren. Denn zuzugeben, dass er nicht der große Magier war, für den ihn alle hielten, hätte er nicht ertragen können.
Oh, wie gut dieses Es-lohnt-sich-nicht-Gerede ins Bild passte! Wie sorgfältig er diese zweite Persönlichkeit erschaffen hatte und wie perfekt er sie lebte! Es war um so vieles einfacher, sich dahinter zu verstecken, als erneut zu scheitern. Er behauptete, er habe Buße getan? Im Gegenteil! Er hatte nur noch mehr Schuld auf sich geladen, indem er lieber ein Menschenleben opferte, als gegen sein Unvermögen anzukämpfen. Und er würde es wieder tun. Jederzeit.
Und sie? Sie war die Lösung für sein Dilemma, seine Rettung. Er wusste, dass sie ihn ein für alle Mal von seinen Pflichten entbinden würde. Er wäre nicht länger Anlaufstelle für die kleinen und großen Verletzungen der Rebellen. Warum auch, dafür hatten sie dann ja eine Heilerin in ihrer Mitte. Darum hatte er sich so gefreut, als er ihre Gabe entdeckt hatte. Darum war er über ihr ständiges Versagen so verärgert gewesen. Darum hatte er ihr diesen Druck auferlegt. Nicht, um sie zu fördern, vielmehr, um sich elegant aus der Affäre ziehen und obendrein sein Gesicht wahren zu können.
So sehr Ferin sich auch darüber wunderte, sie konnte weder Wut noch Verachtung für Sobenio empfinden. Auch die Enttäuschung darüber, dass er sie auf ganzer Linie ausgenutzt hatte, hielt sich in Grenzen. Was blieb, war Mitleid – und ein versöhnlicher Gedanke: Heute Abend hatte sie nicht bloß zu sich selbst gefunden, sie hatte einen Teil der Last von seiner Seele genommen. Und vielleicht war ja auch das Aufgabe einer Heilerin.
Ferin hatte eine unruhige Nacht. Der junge Mann wälzte sich im Fiebertraum hin und her, und sie musste ihre Heilkräfte noch einmal anwenden, um die Infektion einzudämmen. Wann immer er erwachte, flößte sie ihm das Gebräu aus Crujusamen ein. Erst in der zweiten Nachthälfte klang das Fieber ab, und er fiel in tieferen Schlaf. Jetzt endlich gönnte auch Ferin sich ein wenig Ruhe. Sie kippte wie tot auf die Matratze und schreckte durch sein Stöhnen wieder hoch. Es war Morgen. War sie nicht eben erst eingeschlafen?
Ferin holte frisches Wasser, gab ihm zu trinken und wollte seine Wunde am Unterarm versorgen. Er aber wehrte sich und packte sie am Handgelenk. Sie erstarrte, als bei der Berührung eine Flut an Bildern und Gefühlen über sie hinwegschwemmte: drei Männer. Krieger. Rüstungen, Schwerter. Trübes Licht auf ihren höhnischen Gesichtern, das Aufblitzen einer Klinge, sengender Schmerz, der Geruch nach Blut. Und kein Entkommen … Verstört streifte sie die Bilder ab. Sein Griff war fest. Sehr fest für einen derart geschwächten Körper.
»Es ist gut«, hörte sie sich sagen. »Alles ist gut.«
»Nesjen, nesjen.«
Nesjen? Was sollte das bedeuten? »Ich möchte nur deine Wunde ansehen«, erklärte sie, um einen beruhigenden Tonfall bemüht. Sie wollte ihn nicht aufregen. »Bitte«, setzte sie hinzu.
Der Griff lockerte sich ein wenig.
»Bitte, ich habe es gestern auch gemacht.«
Er ließ die Hand sinken. Ferin wickelte den Verband ab und warf dabei einen Blick auf sein Gesicht. Argwöhnisch verfolgte er jede ihrer Bewegungen. Kaum, dass das Leinen fiel, entzog er ihr seine Hand, nicht ohne ein mahnendes »Nesjen« an sie zu richten. Sie seufzte unmerklich – in bewusstlosem Zustand war er weit umgänglicher gewesen.
Die Schnitte waren gut verheilt, die Narben nur noch leicht gerötet, so viel konnte sie immerhin erkennen, während er sein Handgelenk von allen Seiten betrachtete. Demonstrativ streckte er ihr den Arm entgegen und ballte die Faust. Die Stacheln stellten sich auf, bis zur Spitze überzogen mit der grünen Flüssigkeit, die aus den Drüsen quoll.
Weitere Kostenlose Bücher