Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
Vater, der einst Reparaturarbeiten am Spiegel vorgenommen hatte, tatsächlich über den dahinterliegenden Geheimgang Bescheid wusste, von dem Saron gehört haben wollte. Andererseits konnte Najid den alles entscheidenden Hinweis liefern, den sie so dringend brauchten wie ein Verdurstender das Wasser.
»Gehen wir davon aus, dass alles klappt«, bemühte sich Tamir um Zuversicht. »In der darauffolgenden Nacht dringen wir in den Spiegelsaal ein. Wenn es Sobenio gelingt, die Masken zu zerstören, müssen wir schnell sein. Alles hängt davon ab, dass wir vor dem Morgengrauen raus aus der Stadt und zurück in den Minen sind. Sollte uns die Garde erwischen …«
Für einen Augenblick blieb er still. Rötliche Flammen verzehrten knisternd die Holzreste, und in den Baumkronen hinter den Hütten flüsterten die Blätter. Wie friedlich alles ist, dachte Ferin. Die Bedrohung durch die Garde war mit einem Mal so fern.
Tamir seufzte. »Euch ist hoffentlich klar, dass die Merdhuger nicht gerade erfreut sein werden, wenn sie von unserem Manöver Wind bekommen. Auf unsere Tat steht die Todesstrafe. Und ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie wir sie dazu bringen können, mit uns zu verhandeln. Das müssen wir auf uns zukommen lassen. Also … mögen die Mächte uns beistehen.«
Dem war nichts hinzuzufügen, schweigsam zogen sich die Rebellen zum Schlafen zurück. Was sich in Laigdan abspielen würde, lag nicht allein in ihrer Hand. Selbst bei nahezu perfekter Planung blieb doch die dumpfe Gewissheit im Hinterkopf, dass vieles vom Zufall abhing. Und vom Glück. Nicht gerade beruhigend, dachte Ferin.
Unschlüssig blickte sie sich nach Martu um – und fand sich plötzlich in seinen Armen wieder.
Er räusperte sich. »Morgen …«
»Ich weiß.« Ferin machte sich von ihm los. Sie konnte es nicht ertragen, dass er es aussprach. Sie konnte es nicht einmal ertragen, ihm so nahe zu sein, mit dem Wissen, dass er bald aus ihrem Leben verschwunden sein würde. Dass dies ihre letzte gemeinsame Nacht war. Alles in ihr ballte sich zu pulsierendem Schmerz zusammen.
Er griff nach ihrer Hand, öffnete ihre verkrampfte Faust und zeichnete ein wirres Muster von Linien und Kreisen auf ihren Handrücken. »Deine Hände sind wie ein Wunder«, sagte er. »Sie haben mich geheilt.« Er küsste ihre Finger. Jeden einzeln. Dann schloss er ihre Hand zwischen seinen Handflächen ein. »Danke für alles. Ohne dich wäre ich nicht am Leben.«
»Dasselbe könnte ich sagen«, entfuhr es ihr.
»Wie meinst du das?«
»Nun, der Gardist und das Feuer«, erwiderte sie schnell, weil das Naheliegende um so vieles einfacher zu erklären war als das, was sie ihm bisher vorenthalten hatte.
»Schon, aber … daran hast du eben nicht gedacht.«
Sie war ein offenes Buch für ihn. »Nein«, gab sie zu.
»Sondern?«
Ferin starrte an ihm vorbei. Das Feuer war niedergebrannt, letzte Glutnester verkümmerten in der Dunkelheit. Vom Neumond war nur ein schwaches Glimmen übrig. Umso heller funkelten die Sterne im Schwarz der Nacht. Es war die Erinnerung an seine Augen, die sie in ihrer Entscheidung bestärkte. Er sollte es wissen. Sollte wissen, dass durch ihn alles seinen Anfang genommen hatte.
»Bevor ich dich kennenlernte«, sagte sie, »war ich auf der Suche. Nach meinen Kräften. Nach mir selbst. Nach dem, was ich heute bin. Du warst der erste Mensch, den ich heilen konnte. Zuvor war es mir noch nie gelungen. Nicht ein einziges Mal. An jenem Abend rettete ich nicht nur dein Leben. Ich fand zu mir selbst. Durch dich.«
Er ließ ihre Hand fallen, als hätte er sich verbrannt.
»Was …?« Zaghaft berührte sie ihn an der Schulter. Er bebte.
»Wir gaben einander Leben«, sagte er stockend.
Ferin verstand nicht. Sie verstand gar nichts. »Ja. Warum?«
»Nichts. Nur … das war mir nicht bewusst.«
Sie presste die Lippen zusammen, um das Schluchzen nicht herauszulassen.
Er pflückte einen Tropfen von ihrer Wange. »Noch ist nicht die Zeit für Tränen.«
Sie schniefte und wischte sie mit dem Handrücken weg. Sie durfte sich nicht so gehen lassen, sie musste stärker sein. Härter. »Und wenn du mit uns kämest?«, platzte es trotz allem Ringen um Selbstbeherrschung aus ihr heraus. »Nach Laigdan. Nur noch die paar Tage. Wir könnten deine Hilfe gebrauchen.«
»Du weißt, worum du mich da bittest?« Martus Stimme klang so kalt, dass ihr unwillkürlich der Atem stockte. »Ich dachte, du hättest begriffen, was ich tun muss.«
Hitze schoss ihr den Rücken
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