Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
dass sie das Rütteln am ganzen Körper spürte. War das ein neuerlicher Angriff der Masken?
Ziehen! Du musst ziehen!
Sie zerrte mit aller Kraft, doch der Hebel saß fest. War sie zu schwach, ihn zu bewegen? Oder war der Mechanismus kaputt? Verrostet? Hatte es Tamir deshalb nicht geschafft?
Wieder das Rütteln, das Wasser fauchte und tobte über ihr. Licht blitzte auf, gleißend hell drangen die Strahlen bis zu ihr herab, überfluteten den Grund des Beckens. Der nächste Stoß des Wassers warf sie beinahe um. Was war das bloß?
Der Schmerz in ihrer Brust nahm zu, sie kämpfte den Drang einzuatmen mühsam nieder. Der Hebel! Komm schon, Ferin, ein letztes Mal! Ein weiterer Lichtstrahl schoss herab, erleuchtete ihre Hände und auf einmal sah sie es: Sie durfte nicht ziehen, sie musste den Hebel kippen! Ganz logisch, ganz einfach. Sie drückte dagegen, der Hebel gab nach und ließ sich umlegen. Geschafft! Jetzt nach oben.
Wieder ein Krachen, so laut, dass es in ihren Ohren dröhnte. Eine Druckwelle folgte, schwemmte sie davon. Egal. Nach oben. Schwimmen, schwimmen. Atmen, atmen. Nein, nicht atmen! Nur nicht atmen!
Ihre Arme ruderten, ihre Beine stießen, ihre Lungen brannten. Licht flammte auf, Hunderte kleine Fische beschatteten sie. Stoben um sie herum, bildeten Grüppchen, taumelten auf und nieder. Moment – Fische?
Donnern und Poltern um sie herum. Ihre Trommelfelle waren dabei zu platzen, ihre Kehle schnürte sich zusammen. Der Schmerz in ihrer Brust wurde unerträglich. Luft! Sie brauchte Luft.
Flirrende Sonnenstrahlen krochen über ihre Hände, schimmerten in allen Farben des Regenbogens. Gelb, orange, violett. Ach ja, sie war im Teich. Zu Hause. Der Schwarm Fische ruhte über ihrem Kopf. Wartete. Einer neben dem anderen, wirkten sie wie zu einem Baldachin verbunden. Seltsam …
Sie sollte auftauchen. Drei Längen waren genug. Oder waren es schon vier? Sie hatte vergessen mitzuzählen. Aber auftauchen, auftauchen sollte sie wirklich.
Der Teppich war dicht, und als ihre Finger dagegenstießen, kehrte ihr Denkvermögen zurück. Scharf und klar. Das waren keine Fische, und sie war auch nicht zu Hause im Teich. Das waren die Masken. Sie war im Spiegelsaal. Im Maskenbecken.
Und sie ertrank.
Mit letzter Kraft versuchte Ferin, die Schicht der Masken zu durchbohren, sie entdeckte Ritzen, durch die warmes Licht glomm, doch immer, wenn sie ihre Hände dazwischenschieben wollte, rückten die Masken zusammen. Sie folgten jeder ihrer Bewegungen, erkannten jede ihrer Absichten, waren mächtig genug, sie … zu … töten.
Schwäche überfiel ihren Körper, ihre Arme und Beine wurden taub. Ihre Lunge barst, zerriss, zersprang, in ihrem Brustkorb explodierte der Schmerz.
Sie ergab sich. Was machte es schon aus? Ihre Arbeit war getan, die Tür im Spiegel war geöffnet, und dahinter wartete die Freiheit auf ihre Freunde. Auf ihr Volk. Sie wurde nicht mehr benötigt, schließlich hatten sie Sobenio …
Ja, Sobenio war jetzt stark. Sie war nie stark gewesen. Aber heute …
Sie öffnete den Mund, und das Wasser fauchte wie ein Feuerstoß in ihre Lunge. Gleich war es vorbei. Gleich …
Rhys, huschte es ihr durch den Kopf, und graues Nichts sickerte in ihr Bewusstsein.
Martu, flüsterte ihr Herz, und es wurde schwarz.
Martu, Martu, Martu, starb ihre Seele und rettete sich in seine Arme.
Ihre Hände streiften kühlen Stein, und sie flog goldenem Licht entgegen.
35 Hinter dem Spiegel
I st sie am Leben? Leg sie hin, schnell!«
Es war so hell. War das normal? War das Jenseits von Sonne durchflutet? Dann musste das hier der Himmel sein.
»Da ist ein Puls.«
Sie war doch tot, oder etwa nicht? Doch, sie war ertrunken.
»Ferin, atme … so atme doch!«
Wo kam diese Stimme her?
»Du musst das Wasser herauspressen! Fest drücken … gut so, weiter! Na bitte, da kommt es schon.«
Wasser … in ihrem Rachen, ihrem Mund, ihrer Nase. Überall Wasser.
»Atmet sie?«
Ferin hustete, spuckte und erbrach sich. Alles zugleich. Es nahm kein Ende, immer noch rann mehr aus ihr heraus, während sie reflexartig einatmen wollte und doch nur Wasser hochwürgte. Die Atemnot brannte in ihr, in ihren Ohren toste es, ihre Wirklichkeit drohte erneut zu kippen – doch sie kämpfte sich frei. Mit einem heiseren Schrei riss sie die Luft an sich.
»Ja, sie atmet. Sie atmet.«
Sie hustete wieder. Keuchte. In ihrem Brustkorb glühte Säure, ihre Kehle war eine offene Wunde. Jedes Luftholen heizte das Brennen an.
»Ruhig.«
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