Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
Kurven wanden sich durch den Dschungel, jedem Baum folgte ein neuer Baum, jedem gierigen Atemzug ein weiterer. Je tiefer sie vordrangen, desto düsterer wurde es, das Blätterdach schluckte auch die letzten Sonnenstrahlen. Geräusche fegten durch die Dämmerung, der Wald lebte: schauderhafte Schreie von allen Seiten, Kreischen und Krächzen, Geflatter über ihren Köpfen, Zischen in Bodennähe, Knacken und Rascheln im Gebüsch.
Im Versuch, die Gefahren zu erspähen, irrten Ferins Augen umher und waren doch viel zu träge und schwach, um etwas zu erkennen. Bei jedem neuen Laut zuckte sie zusammen, bis daraus ein Zittern wurde. Rhys umschloss ihre Taille fester, aber auch sein leises »Keine Sorge, alles ist gut. Wir sind gleich da« vermochte ihr die Angst nicht zu nehmen. Schließlich schloss sie die Augen, presste die Lider ganz fest zusammen und wünschte sich sehnlichst, mit ihren Ohren ebenso verfahren zu können. Das unzweifelhafte Leben um sie herum machte deutlich, wie wenig Leben in ihr selbst war. Noch weniger Leben als je zuvor.
Sie öffnete die Augen nicht mehr. Auch nicht, als sie anhielten, leise Stimmen an ihr Ohr drangen, jemand sie packte und vom Pferd zog. Auch nicht, als sie sich von starken Armen fortgetragen fühlte, auf einer kühlen Matte niedergelegt wurde, Wasser an ihren Lippen spürte. Auch nicht, als ein feuchtes Tuch über ihr Gesicht wischte, jemand tröstend auf sie einsprach, warme Hände über ihre Stirn strichen. Auch dann nicht.
8 Zu schwach
B rütende Hitze stand in der kleinen Holzhütte. Es war ein einziger Raum, und Ferin hatte lange Zeit still dagelegen und zur Decke gestarrt. Genau wusste sie nicht, welche Art von Dach das Gebilde über ihr eigentlich sein sollte. Sie tippte auf getrocknete Palmwedel. Die Wände der Hütte wirkten um nichts stabiler, sie bestanden aus Ästen, kaum dicker als ihr Arm. Mit Seilen verbunden und in den Ecken ineinandergeschoben, umfassten sie einen winzigen Flecken festgestampfter Erde. Ein bunt gewebtes Tuch bildete die Tür. Jeder Windstoß musste die Hütte zum Einsturz bringen, und es war lachhaft zu glauben, sie könnte Schutz vor Regen oder wilden Tieren bieten.
Das Aufsetzen gelang Ferin mühelos. Hatten ihre geschundenen Muskeln noch bis vor wenigen Stunden bei jeder Bewegung förmlich aufgejault, so war die Heilung nun abgeschlossen und der Schmerz wie weggeblasen. Auf ein Pferd würde sie dennoch nie wieder steigen, so viel stand fest. Vorsichtig lehnte sie sich gegen die Wand, und überraschenderweise hielten die dürren Äste ihrem Gewicht stand.
Also diese Hütte, dachte Ferin. Mochte sie zum Leben nicht wirklich geeignet sein, ein guter Platz zum Sterben war sie allemal.
Die Einrichtung war bescheiden: Dünne Matten bedeckten einen Großteil des Bodens, vielleicht aus Gras oder Lianen geflochten, dann lagen da einige Kissen aus rotem und braunem Stoff, gefüllt mit winzigen Körnern, und eine leichte Decke.
In diesem Augenblick wurde das Tuch beiseitegerafft, und eine junge Pheytana um die zwanzig trat ein.
»Ah! Du bist also aufgewacht.« Ihre Stimme war warm und weich und zärtlich und mütterlich und gütig und … einfach alles zusammen. Lächelnd kniete sie am Eingang nieder. »Ich bin Nolina. Und du bist Ferin?«
Ferin nickte, schluckte, atmete und spürte dem Toben ihres Herzens nach, das ihr aus einem unerfindlichen Grund bis zum Hals schlug. Antwort gab sie keine.
»Nur keine Angst, hier bist du sicher«, sagte Nolina, als wüsste sie um Ferins Gefühlswelt genauestens Bescheid. Dabei hatte Ferin keine Angst, sie war nur verwirrt. Verwirrt von dieser Stimme, verwirrt von dem jähen Tumult in ihrer Brust.
»Komm mit hinaus.« Nolina streckte ihr die Hand entgegen, und dabei fiel ihr offener Zopf über die Schulter nach vorn. Sie hatte traumhaft schönes Haar, wie Ferin neidvoll anerkennen musste. Sogar hier in der Hütte glänzte es golden. Überhaupt war sie für eine Pheytana geradezu hübsch. Nur wenige Male zeichneten ihr Gesicht, der Riss auf ihrer Nase war schmal, fast geschlossen. Und ihr Lächeln war bezaubernd. »Komm, es gibt Wasser und Essen. Du musst großen Hunger haben.«
Ferin schluckte wieder. Das Knurren ihres Magens war laut genug, gewiss hatte Nolina es vernommen. Sie rechnete nach. Es war der dritte Tag ohne Essen. Ja, sie hatte Hunger, und das war gut so. Es war das erste Anzeichen, dass ihr Plan funktionierte. Die Hand war immer noch da, und es tat beinahe weh, sie auszuschlagen.
»Nein«,
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