Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
schätzen wusste.
Das Schweigen danach wog schwer. Als sein Gewicht drohte, unerträglich zu werden, sagten Tamir und Sobenio mit einer Stimme: »Es wird alles gut gehen.«
Ferin staunte einmal mehr über die Kraft, die Tamir in seine Worte legen konnte. Leises Lachen und Gemurmel folgten, alle schienen aufzuatmen, niemand zweifelte an dieser Aussage.
Ein kühler Luftzug strömte über ihre Köpfe hinweg. Die Blätter in den Wipfeln der Bäume trugen die Brise mit einem Flüstern voran, bis sie schließlich nach unten sank, Farne und Halme streifte, sich in ihrem Gewirr verlor. Hatte der Wind eine geheime Nachricht verbreitet?
Die Antwort zog mit dem Lärmen zahlloser Stimmen durch den Wald. Vögel flatterten auf, verließen kreischend ihre Schlafplätze, das Getrappel kleiner Füße drang aus dem Buschwerk, von allen Seiten hörte man aufgeregtes Schnüffeln und Grunzen. Es wirkte, als wäre sämtliches Getier auf der Flucht. Ein lang anhaltendes Zetern ertönte, dann abermals Schreie, lauter und alarmierender als zuvor. Gefahr!, schmetterte es durch den Busch.
Die Glut in der Feuerstelle war erloschen, nur das Licht der Sterne stahl der Nacht ein wenig von ihrer Dunkelheit. Die Pheytaner im Kreis saßen wie versteinert da, auch Tamir hatte sich nicht vom Fleck bewegt. Alle lauschten angespannt.
Entsetzen packte Ferin, sie konnte es sich nicht erklären, doch sie wusste instinktiv, dass sich etwas ihrer Feuerstelle näherte. Etwas ganz und gar Furchteinflößendes. Nolinas Keuchen war die Bestätigung, auch über Rhys’ schnelle Atemzüge wunderte sie sich nicht. Niemand sagte etwas. Waren die anderen ebenso aufgewühlt wie sie? Oder wussten sie, was sich da näherte?
Die Klänge des Dschungels schwollen an, die gesamte Tierwelt versuchte zu entkommen. Ferin wollte aufspringen und ebenfalls fortlaufen – egal wohin, einfach weg –, doch sie klebte an ihrem Platz fest. Sie zitterte, regelrechte Krämpfe wanderten durch ihre Muskeln.
Mit einem Mal war es totenstill. Ferin hörte nichts als das Rauschen ihres Blutes in ihren Ohren. Die Tiere waren fort. Sie waren allein. Was sie dann hörte, war Tamirs Stimme, doch nicht kraftvoll und tief wie sonst, sondern als ein unterdrücktes Zischen: »Sie kommen.«
Ihr Herz raste in ihrer Brust, ihre Gedanken wiederholten unablässig die Frage: Wer? Wer? Wer?
Bis ein sachtes Schleifen die Stille teilte. Etwas strich an den Baumstämmen entlang. Oder an den Hütten? Es kam aus mehreren Richtungen, kreiste sie ein. Hie und da knackte ein Ast, raschelten Blätter – ganz nah schon, ganz nah.
Ferin schmeckte Blut in ihrem Mund, erfasste einige verwirrte Gedanken später, dass sie sich vor lauter Aufregung in die Unterlippe gebissen hatte. Sie lockerte den Kiefer, erschrak vor dem Klappern ihrer Zähne und presste die Lippen doch wieder zusammen.
Von links vernahm sie ein Knurren, dann auch von vorn. Zwischen den Hütten glomm etwas gelb auf, ein geduckter Schatten schlich herbei. Dunkle und hellere Linien, weißliche Flecken – alles verschwamm vor ihren Augen. Ein weiterer Schatten sprang auf sie zu, das gelbe Augenpaar vor sich her tragend. Ein dritter kam von rechts. Und ein vierter. Zwei der Schatten trafen aufeinander, ein Fauchen zerriss die Luft, und ein Schrei gellte durch die Nacht.
Ferin war ziemlich sicher, dass es Jasta war, die wie am Spieß brüllte. Erst als sie sich von Rhys’ Händen gepackt fühlte, er sie an sich zog, sie in seine Arme schloss und sich seine Hand über ihren Mund legte, wurde ihr klar, dass sie es war, die schrie. Sie gewann keine Kontrolle über ihre Stimme, der Schrei wurde zwar zu einem Wimmern erstickt, klang aber nicht ab.
An ihrem Bein fühlte sie eine Bewegung, etwas Warmes, Weiches glitt über ihren Arm, ein heißer Hauch traf ihr Gesicht. Ein grauer Schädel, eine weiße Maske, funkelnde Augen, ein Prusten. Rhys’ Griff wurde fester, Ferin merkte zwar, dass sie sich in seinen Armen wand, war aber nicht in der Lage, es zu stoppen.
»Sch«, machte Rhys. »Schsch.« Das Gemurmel hatte nicht den gewünschten Effekt, dennoch war es angenehm. Noch angenehmer war das sachte Schaukeln seines Oberkörpers. Vor und zurück.
Weshalb sie sich am Ende beruhigte, war ihr schleierhaft. War es Rhys’ Umarmung? Das Wiegen? Seine Stimme? Oder die Feststellung, dass die Bedrohung zu sehen und zu hören war, es aber bei einer reinen Anwesenheit derselben blieb? War es das ruhige, goldgelbe Blinken neben Tamirs Gestalt? Nolinas
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