Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
wurde plötzlich bewusst, dass er sie im Spiegel beobachtet hatte.
Sie brachte ein verlegenes »Mhm« zustande.
»Gut, komm her.« Er winkte mit dem Messer wie ein König mit dem Zepter. »Du kannst mir den Kopf rasieren.«
14 Was in dir ruht
W ie bitte?«, stieß Ferin nach einigen Sekunden ungläubigen Schweigens hervor.
»Du hast schon richtig gehört: Rasiere mir den Kopf«, wiederholte Sobenio. Als sie ihn weiter anstarrte, ohne sich zu rühren, fuhr er fort: »Es gibt einige Stellen, an die ich nicht herankomme. Ich bin nicht mehr der Jüngste. Meine Schulter.« Er ließ die rechte Schulter kreisen, stieß ein Ächzen aus, das eines Schaustellers würdig war, und hielt ihr das Messer hin.
Zögernd trat sie näher, den Blick auf seinen grünen Schädel gerichtet, atmete ein, atmete aus, schluckte. »Ich kenne den Zauberspruch nicht.«
»Das ist witzig«, schmunzelte er. »Du hast Humor. Ferin, nicht wahr?«
Ferin nickte in den Spiegel und begegnete seinen Augen. Wasserblau waren sie und ganz hell.
»Soll ich dir den Spruch verraten?«
»Also … ich möchte lieber nicht deinen … Kopf …« Sie brach mit einem Räuspern ab. Es war grotesk. Sie sollte ihm den Kopf rasieren? Abgesehen von der eigenartigen Geschichte mit dem Zauberspruch war die Aufforderung an sich schon – na ja – abartig.
»Du möchtest meinen Kopf nicht rasieren?« Er ließ das Messer sinken. »Weshalb nicht, wenn ich fragen darf?«
Ferin fixierte sein linkes Ohrläppchen, war immer noch nicht ganz sicher, was das für ein glänzend weißes Ding war, das in einem doch recht ansehnlichen Loch steckte. Ihre Vermutung, dass es sich um ein Knochenstück handeln könnte, erwies sich als falsch, es sah irgendwie anders aus.
»Nun?« Sobenio drehte sich auf dem Hocker um und blickte ihr direkt ins Gesicht.
»Ich … äh …« Sämtliche Worte, die sie gerade mühsam in ihrem Kopf zu einer halbwegs vernünftigen Erklärung sortiert hatte, verfingen sich in wilden Theorien über Zustand und Pflege seines Bartes. Dienten die bunten Perlen der Zierde, oder hatten sie eine Bedeutung? Ob er den Zopf ab und zu öffnete, die Barthaare frisierte und neu flocht?
»Du wolltest mir erklären, weshalb du mir nicht den Kopf rasieren möchtest.«
»Ich habe so etwas noch nie gemacht«, war das Erste, das ihr einfiel.
»Das ist nicht schwierig, sieh her …« Er griff nach ihrer Hand und schabte mit der Klinge sachte über ihren Unterarm. Ferin war derart überrumpelt, dass sie ihn gewähren ließ. »Das wirst du doch schaffen, oder?«, meinte er und drückte ihr das Messer in die Hand.
Sie biss sich auf die Unterlippe. »Ich bin nicht sehr geschickt. Ich könnte abrutschen und …«
»Du könntest es versuchen.«
»Ähm … ja.«
Der Magier kehrte ihr wieder den Rücken zu, und sie sah sein verschmitztes Lächeln im Spiegel. »Beginne vorn, an der Stirn.«
Ferin hob das Rasiermesser über seinen Kopf. Ihr Körper beschwerte sich über die Aufregung mit schnellen Herzschlägen, ihre Hand zitterte.
»Der Zauberspruch?«, fragte sie voller Scheu.
Er schaute sie mit einem überheblichen Augenaufschlag durch den Spiegel an. »Wir sind uns doch einig, dass es keinen solchen Zauberspruch gibt?«
Sie begriff nicht gleich. »Nicht?«
»Fang an.«
»Aber …«
»Fang an!«
Ferin setzte das Messer an. Ruhig, bloß nicht zittern. Sie spannte die Muskeln, rang sich mühsam Gewalt über ihre Hand ab.
»Halte es flacher … ja, so. Und jetzt nach hinten durchziehen.«
Was, wenn ich ihn schneide?
»Fester. Es ist von Nutzen, wenn es den Kopf berührt … ja, so ist es besser«, dirigierte Sobenio sie.
Ferin hielt inne. Am Messer klebte die grüne Paste.
»In die Schale«, sagte er. »Streife es mit dem Finger ab. Vom Rücken zum Grat. Vorsicht, die Klinge ist scharf.«
Sie zögerte. Konnte sie die Paste wirklich berühren?
»Es sind nur Kräuter. Sie beruhigen die Haut, verschließen die kleinen Wunden, die beim Rasieren entstehen, und verhindern eine Infektion.«
Sie gehorchte kopfschüttelnd. Verfaulen? Von wegen! »Es war eine Lüge!«, empörte sie sich.
Sobenio gab sich unbeeindruckt. »Kann man so sagen.«
Ferin arbeitete weiter, und er verfolgte jeden ihrer Handgriffe im Spiegel. Ab und zu gab er leise Anweisungen, sonst blieb er still. Was tue ich da?, dachte sie. Und warum?
»Das ist eine gute Übung für dich«, erklärte er ruhig. »Es zeigt mir, ob du dich vertrauensvoll an alles heranwagst, was ich dir
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