Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
sie nicht mehr tragen. Schmerzhaft und düster überrollte sie der Alptraum ihrer Vergangenheit. Sprach er von ihr? Sie streckte die Hand aus, fand seine Schulter als Stütze.
»Ich sehe, du weißt, wovon ich rede«, sagte er leise.
Ferin schluckte.
»Die Maske ist das perfekte Machtinstrument. Es fließt kein Blut, es tönen keine Schreie, niemand wird gequält. Mit Freuden kommen die Pheytaner nach Laigdan, um sich maskieren zu lassen, und bedanken sich auch noch für die Gnade der Erlösung. Währenddessen lächeln die Merdhuger still und huldvoll und betrachten sich selbst als die Guten. Schaffen sie nicht die Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben? Bilden ihre Maßnahmen nicht die Eckpfeiler für den Aufbau einer noblen Gesellschaft, in der Gleichberechtigung gelebt wird? Ein Konzept ohne Fehler, alle sind glücklich, so scheint es. Doch dahinter verbirgt sich nichts anderes als Unterdrückung. Die Pheytaner, in denen noch Reste ihres wahren Wesens schlummern, sind empfindsam genug, das zu spüren. Auch die Maske ändert nichts daran. Sie ist weder in der Lage, ihre Erinnerung an das Leben vor der Maskierung zu löschen, noch die Sehnsucht zu stillen. Im Gegenteil: Durch die Macht, die die Maske ausübt, fühlen sie sich noch um vieles zerrütteter als ohne sie.«
Sobenio legte seine Hand auf die ihre. Sie war sehr warm, fast heiß, und Ferin spürte, wie dieser heiße Strom über ihren Arm hinauf bis zum Nacken zog und sich von dort aus in ihrem Körper verteilte. Ihr Gehirn war unterdessen völlig leer, nur seine Worte hallten darin wider. Tränen lösten sich aus ihren Augenwinkeln, und sein Atem war der Wind, der ihre Wangen kühlte.
»Die Maske zerstört diese Pheytaner schrittweise«, fuhr er fort. »Erschöpfung und Krankheit sind die Folge, bis hin zu geistiger Verwirrung und Tod. Oder aber ihre verbliebenen Kräfte bündeln sich zu einem letzten Akt: Sie reißen sich die Maske herunter. Damit entgehen sie zwar ihrem Schicksal, doch die Merdhuger haben auch für solche Fälle vorgesorgt: Die Aufständischen werden weggebracht, verschwinden in Arbeitslagern, damit sie unter Kontrolle gehalten werden können. Denn nichts fürchten die Merdhuger mehr als unsere magischen Fähigkeiten – und eine mögliche Rebellion, die ihre Scheinwelt zum Einsturz bringt.«
Sobenio schwieg und gab Ferin Zeit, sich zu fangen, bis ihre Tränen schließlich versiegten, die Hitze abebbte und angenehme Entspannung produzierte. Sie hielt den Kopf gesenkt; die Intimität, die sie beide umgab, irritierte sie.
Sanft löste er ihre Hand von seiner Schulter und nahm sie zwischen seine großen Handflächen. »Sieh mich an«, forderte er sie auf.
Seine Augen waren wie verwandelt, dunkel und … warm. Ferin konnte Güte darin sehen. Und Leid. Beides blitzte nur für einen Atemzug lang auf und widerlegte ihre vorgefasste Meinung über seinen Geisteszustand. Er war nicht verrückt, er war ein alter, gebrochener Mann, und sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er eben von sich gesprochen hatte. Ungewollt hatte er ihr Zugang zu seinem Inneren gewährt, das er sonst hinter einem Schutzschild aus Arroganz, Grobheit und Absonderlichkeit verbarg. Aber jetzt hatte der Schild einen winzigen Riss bekommen, durch den etwas von Sobenios Gefühlen zu ihr herüberströmte, in ihrer Seele reflektiert wurde, und – so schien es ihr – geradewegs sein Herz erreichte. Sie fühlte sich ihm unerwartet verbunden und wusste, dass es ihm genauso erging.
Er blinzelte sein Erstaunen weg und gab ihre Hand frei.
»Deine Reaktion zeigt mir«, sagte er kühl, im Bestreben, die Distanz wiederherzustellen, »dass die Kraft in dir sehr stark ist. Doch allein bist du nicht in der Lage, ihr auf die Spur zu kommen. Du brauchst Hilfe, und die kann ich dir geben. Deshalb bist du hier. Gemeinsam werden wir herausfinden, was in dir ruht.«
Der Magier wandte ihr wieder den Rücken zu und senkte den Kopf. »Den Nacken.«
Ferin setzte das Messer an, um die letzten Überbleibsel der grünen Paste zu entfernen.
»Bei Jasta verhält sich die Sache anders als bei dir«, murmelte er, und sie überlegte, ob er sie einweihen, sich rechtfertigen oder nur seine Gedankengänge fortführen wollte. »Ihr überschäumendes Temperament muss in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Du hingegen musst aus der Reserve gelockt werden. Du musst lernen, dir auch etwas zuzutrauen.«
Mit Hilfe der anderen Hand spannte Ferin die Haut im Nacken. Der letzte
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