Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
auftrage.«
Ferin runzelte die Stirn. Konnte er ihre Gedanken lesen?
Inzwischen hatte sie seinen Schädel zum größten Teil von der zähflüssigen Schmiere befreit, jetzt fehlten nur noch der Nacken und der Bereich hinter den Ohren. Er legte den Kopf schräg, um ihr zu zeigen, wo sie weitermachen sollte.
Vorsichtig zog Ferin das Messer vom Ohr nach oben weg, säuberte es mit dem Finger, legte es wieder an. Sie wurde sicherer, die Arbeit ging ihr mittlerweile leicht von der Hand. Ein Zahn!, schoss es ihr in den Sinn, als sie sein Ohrläppchen so nah vor Augen hatte. Es ist ein Zahn.
»Tigerzähne, ja«, bestätigte er prompt.
Ferin errötete. Tatsächlich, dieser Mann wusste, was sie dachte. Ob er auch wusste, wie chaotisch es in ihrem Kopf zuging? Sie bekam keinen klaren Gedanken mehr zu fassen. Sein Spiegelbild sandte ihr ein erheitertes Zwinkern – natürlich wusste er es.
Die Tür knarrte, und Jasta platzte in den Raum, den Kessel in der Hand. Als sie die Situation erfasste, hielt sie wie vom Donner gerührt inne, riss die Augen auf und formte die Lippen zu einem entsetzten »Oh«. Ferin konnte es ihr nicht verübeln, der Anblick war gewiss schockierend. Rasch nahm sie das Messer beiseite und schaute Jasta vorsichtshalber durch den Spiegel finster an. Halte ja deine Zunge im Zaum! Sie hätte es sich sparen können, denn Jasta fehlten zum zweiten Mal an diesem Tag die Worte.
Sobenios Lachen wurde breit. »Geh zum Teich und fange drei Fische«, trug er Jasta auf. »Nimm den Kessel mit, ich will sie lebendig.«
Jasta verharrte regungslos. Es war nicht erkennbar, ob sie den Befehl gehört und verstanden hatte, noch weniger, ob sie gewillt war, ihn auszuführen.
Sobenio seufzte. »Ist es normal, dass man dir alles zweimal sagen muss?«
»Ein Netz?«, fragte Jasta tonlos.
»Kein Netz. Benutze deine Hände«, war die knappe Antwort.
Sie wandte sich um, beherzigte nach kurzem Zaudern sein »Immer achtsam mit der Tür« und ging wieder nach draußen.
»Na bitte. Wird ja.« Sobenio nickte, offenbar zufrieden, dass seine Methode Früchte trug. »Mach weiter.«
Ferin widmete sich dem anderen Ohr und suchte vergeblich nach Sinn und Zweck ihrer Pflichten. Jastas Aufgabe erschien ihr nicht weniger unsinnig als die ihre. Wozu, um der Mächte willen, sollte sie Fische mit bloßen Händen fangen?
»Du willst verstehen, hm?« Das Messer blieb mitten im Zug stecken, als Sobenio ihren fragenden Blick im Spiegel einfing.
»Das ist gut. Ist zwar nicht notwendig, aber gut.« Er spitzte die Lippen und sog pfeifend die Luft ein. »Feinfühliger, als ich dachte. Weit feinfühliger.«
Er wand seinen Kopf unter dem Messer hervor und drehte sich elegant um die eigene Achse. Seine Beweglichkeit ließ in Ferin Zweifel an seinen quälenden Schulterbeschwerden aufkommen, und sie beschloss, ihm gar nichts mehr abzunehmen. Es gefiel ihm augenscheinlich, sie mit allen erdenklichen Tricks in die Irre zu führen.
»Nun gut, ich will es dir erklären.« Sobenios Stimme verlor mit einem Mal den leicht verächtlichen Unterton, der seinen Worten normalerweise wie ein klebriger Spinnfaden anhaftete, und wurde gutmütig. »Wie ich gehört habe, stammst du aus Laigdan?«
Ferin nickte.
»Eine schöne Stadt, fest in Händen der Merdhuger und im Bann der Maske. Alle Pheytaner, ob nun maskiert oder nicht, stehen unter ihrer Macht. Über Generationen hinweg wurde das Nichtwissen weitergegeben, die feinen Sinne zerstört, die Sensibilität für die eigenen Fähigkeiten sukzessive vernichtet. Die Methode funktioniert beeindruckend gut. Etwas, das im Kopf gelöscht ist, kann im Herzen nicht brennen. Nur wenige Pheytaner spüren tief in ihrem Inneren einen Hauch Magie, nichts Greifbares, nur eine Sehnsucht. In ihren Adern pocht das alte Blut. Sie können nichts damit anfangen, sind rastlos, verwirrt und ständig auf der Suche nach ihrem wahren Ich.«
Er fixierte sie mit dem hypnotischen Blick einer Schlange, als wäre sie seine Beute. »Solange diese Pheytaner noch unmaskiert sind, verwechseln sie jene Sehnsucht mit dem Traum von der eigenen Maskierung. Er diktiert ihr Denken, ihr Handeln, sie sind zum Warten verdammt. Doch Warten verhindert Entwicklung, Geist und Körper erstarren unter seiner Macht. Durch ihre kompromisslose Selbstaufgabe begeben auch sie sich in die Knechtschaft der Merdhuger, ohne dass diese sich die Hände schmutzig machen müssen.«
Ferin entwich ein klagender Ton. Ihr schwindelte, der Boden unter ihren Füßen wollte
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