Maskenball
angekommen war, blieb ihm und seinen Helfern sicher nicht mehr viel Schlaf bis zum nächsten Job.
An der Theke, die an der Wand rechts von der Bühne aufgebaut war, standen noch mehrere Konzertbesucher, die ihre letzten Biermarken einlösen wollten. Als er näher kam, sah Frank, dass sie angeregt auf den Mann hinter der Theke einsprachen.
»Gibt es schon etwas Neues?« Eine Rothaarige auf hochhackigen schwarzen Schuhen und mit schwarzem Top sah den dicken Mann, der mit weißer Schürze hinter dem Tresen stand und zwei leere Gläser in der Hand hielt, fragend an.
»Nee, Lene geht es immer noch schlecht. Sie kommt einfach nicht darüber hinweg.«
»Ist das nicht furchtbar?«, mischte sich eine kräftige Schwarzhaarige ein, die mit einem leeren Weinglas ungeduldig vor dem Gesicht des Zapfers herumfuchtelte. »Geht zum Karneval, kippt auf dem Klo um und ist tot. Kein Wunder, dass das für Lene und Hans furchtbar ist.«
Der Zapfer nickte stumm, nahm ihr das Glas ab und begann dann die beiden Pilsgläser zu füllen. Er sah nur kurz auf, als ein dünner Mann mit schon schütterem grauen Zopf ein Wasser und eine Cola verlangte. Sein kariertes Hemd hing lose über seiner braunen Lederhose. Als er Frank erkannte, nickte er ihm freundlich zu.
»Super! Geile Deep-Purple-Version. Das nenne ich echten Bluesrock.«
Frank bedankte sich artig mit einem stummen Lächeln.
»Ich kann nicht verstehen, dass man den Tod von Feldges nicht besser untersucht. Man kippt doch nicht einfach um, schon gar nicht beim Pinkeln.« Die Rothaarige ließ nicht locker.
Die Frau mit den dichten schwarzen Locken neben ihr nickte. »Stimmt. Ich finde das unmöglich. Ich hätte mich nicht mit der Diagnose des Notarztes zufriedengegeben. Man hätte ihn doch besser obduziert. So weiß Lene ja noch nicht einmal genau, wie ihr Vater gestorben ist. Ich möchte nicht in ihrer Haut stecken.«
»Nu mal man nicht den Teufel an die Wand. Die wird sich schon wieder fangen. Das ist doch nicht das erste Mal, dass ein alter Mensch stirbt. Sicher, für die Angehörigen ist das schlimm. Aber so ist das nun mal im Leben. Irgendwann geht uns allen mal die Lampe aus, und zwar für immer.« Der Zapfer reichte zwei Bier, die bestellte Cola und das Mineralwasser über den Tresen. Gleichzeitig nahm er die Biermarken entgegen, die er einriss und hinter sich in einen Karton warf.
Frank sah sie Rothaarige von der Seite an. Sie war bestimmt schon Ende vierzig und hatte sich vor dem Spiegel vermutlich nur mit Mühe in ihre enge Jeans gezwängt. Das knappe Oberteil saß unvorteilhaft über ihren breiten Hüften.
»Aber einfach so? Am Mittag war er noch ganz fit, sagt Lene. Sie hat doch regelmäßig nach ihm gesehen. Für ihn gekocht und die Wäsche gemacht. Und der Arzt hatte ihn doch kurz vorher noch untersucht. War doch alles in Ordnung gewesen, hat mir Lene erzählt. Man stirbt doch nicht einfach so. Das gibts doch nicht. Wochenlang hat Lene geheult, sie hat abgenommen ohne Ende. So fertig ist sie. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich sie damals, so um Allerheiligen rum muss das gewesen sein, auf dem Friedhof getroffen habe. Sie war damals so froh, dass sie ihren Vater noch hatte. Warum passiert so was?« Sie stieß ihre Freundin in die Rippen. »Agnes, sag du doch auch mal was. Warum nur?«
»Weil das Leben unberechenbar ist, und der Tod sowieso.« Frank signalisierte dem Dicken hinter der Theke, dass er für Reuver, Juppi und Marianne noch ein Bier wollte.
Die Rothaarige drehte sich zu ihm um und musterte ihn von oben bis unten. Sie erkannte ihn offenbar nicht als den Musiker, der eben noch mit seiner Harp und seinen Congas auf der Bühne gestanden hatte. »Ach nee, einen Klugscheißer haben wir da. Was weißt du denn schon? Hast du noch deine Eltern?«
Frank schüttelte den Kopf. »Ich …« Weiter kam er nicht.
»Weißt du was? Misch dich einfach nicht hier ein, kapiert?«
»Ich bin Polizeibeamter. Frank Borsch.« Ihm fiel in diesem Moment keine bessere Antwort sein. Am liebsten hätte Frank sich auf die Lippen gebissen. Warum hatte er sich nur eingemischt?
»Ach nee, und ich bin die Königin von England.« Die Rothaarige lachte albern über ihren Witz und fummelte dabei umständlich eine schon ziemlich zerdrückte Schachtel Zigaretten aus ihrer Hosentasche. »So, so, ein Bulle. Und? Was machen deine Kollegen im Präsidium? Schaukeln sich die Eier, während hier bei uns die Einbrecher umgehen, die Mädchenmörder wohnen und die Betrüger die armen
Weitere Kostenlose Bücher