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Maskenball

Maskenball

Titel: Maskenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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drehte.
    »Ich hätte Sie nicht gerufen, wenn es mir nicht so komisch vorgekommen wäre. Über zwei Wochen Tag und Nacht Licht in der Wohnung. Da stimmt doch was nicht. Ich habe angerufen, ich habe geklopft. Niemand hat sich gemeldet. Hoffentlich ist nichts Schlimmes passiert.« Eilfertig trat der Hausmeister des leicht schäbigen Mehrfamilienhauses am Rand der Innenstadt zur Seite.
    »Schon gut.« Peter Shriver drängte sich an dem dünnen blassen Mann vorbei. »Bitte, öffnen Sie die Wohnungstür. Und dann gehen Sie bitte wieder an Ihre Arbeit. Es gibt für Sie hier vorläufig nichts mehr zu tun. Der Rest ist nun unsere Aufgabe. Danke, dass Sie uns gerufen haben. Wenn wir Fragen haben, werden wir Sie ansprechen.«
    Peter Shriver war seit mehr als dreißig Jahren bei der Polizei. Deshalb war er auf alles vorbereitet. Was sie aber in dieser auf den ersten Blick sauber aufgeräumten Wohnung vorfanden, hatte nicht das Geringste mit dem zu tun, was er erwartet oder auch nur ansatzweise befürchtet hatte.
    Konzentriert und langsam arbeiteten sich die beiden Kriminalbeamten vom schmalen Flur aus durch die Zimmer der Wohnung. Sie war großzügiger geschnitten, als sie von der Straße aus hätten vermuten können. Mit Erleichterung stellte Shriver fest, dass es nicht nach einem verwesenden Körper roch. Leichen, vielleicht noch mehrere Tage oder Wochen alt, waren ihm auch nach all den Jahren kein vertrauter Anblick. Jeder Tote hatte für Shriver etwas Bedrohliches. Vermutlich, hatte er einmal bei einem Bier mit seinen Kollegen philosophiert, erinnerten leblose Körper an die eigene Vergänglichkeit und hatten deshalb etwas Mahnendes.
    Shriver atmete auf. Kein Toter in dieser Wohnung, der schon von Maden zerfressen war. Keine Fliegen, die ihm bereits an der Tür in Myriaden entgegen kamen, um sich dann durch den Hausflur in alle möglichen Richtungen zu verteilen. Und auch keine Larvenmassen, die sich ihm als einen lebenden Teppich aus ungezählten pulsierenden Körpern darboten.
    Die Luft in den Zimmern roch abgestanden, es war lange nicht gelüftet worden. Shriver schaltete in jedem Raum die Beleuchtung aus. Der Mieter hatte in der Tat in jedem Zimmer das Licht brennen lassen. Offenbar war er abgereist, ohne sich beim Verlassen der Wohnung noch ein letztes Mal umzusehen: Entweder hatte er überstürzt das Haus verlassen, oder er hatte schlicht und einfach vergessen, die Lampen auszuschalten.
    Shriver entspannte sich und nickte seinem Kollegen zu, was so viel bedeuten sollte wie »alles in Ordnung, kein Stress«. Die beiden arbeiteten schon seit mehr als 15 Jahren zusammen und kamen mittlerweile ohne viel Worte miteinander aus.
    Die beiden Polizeibeamten gingen von Raum zu Raum, ohne eine wirkliche Spur ihres Bewohners zu entdecken. Der Mieter hatte nichts dem Zufall überlassen. Das Spülbecken in der Küche war sauber ausgewischt. Der Müll aus dem Ascheimer entsorgt. Die wenigen Blumen waren auf Hydrokultur umgestellt und hatten noch genügend Wasser. Der Brotkasten war leer und sauber ausgeputzt, sodass nichts schimmeln konnte. Das Gleiche galt für den Kühlschrank. Es sah so aus, als sei die Wohnung nur leere Kulisse für einen bereits abgedrehten Film. Und dass der Requisiteur sehr genau darauf geachtet hatte, dass nach den Dreharbeiten die Kulissenschieber nicht unnötig Arbeit hatten.
    Oder aber der Nutzer der Wohnung hatte einen krankhaften Sauberkeitsfimmel, der ihm jegliche persönlichen Spuren in den eigenen vier Wänden verbot. Shriver mochte auch nicht ausschließen, dass der Mieter ein reinlicher und ordentlicher Mensch war, dazu ausgestattet mit einer gehörigen Portion Verantwortungsgefühl, der auf den Fall, dass er nicht zurückkehren würde, vorbereitet sein wollte und alle dazu nötigen Vorkehrungen getroffen hatte.
    Aus dem kurzen Telefongespräch mit dem Hausmeister wusste Shriver, dass der Wohnungsnutzer männlich, schon älter und Deutscher war. Die penible Sauberkeit, die Shriver in allen Räumen vorfand, hielt der Kriminalbeamte für eine typisch deutsche Tugend. Wobei er es in seinem bisherigen Leben mit nicht allzu vielen Deutschen zu tun gehabt hatte. Sah man einmal von den Urlaubern ab, die regelmäßig ihre Stadt heimsuchten.
    Peter Shriver war der Anblick der fast klinisch sauberen Zimmer keine besondere Notiz in seiner Kladde wert, die er bei sich trug, so sehr fühlte er sich in seinem Bild von »den sauberen Deutschen« bestätigt. Im Gegenteil, er nahm seine Beobachtungen mit einer

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