Maskenball
vergangenen Zeit. Aufnahmen von Ausflügen im Sommer an einen großen Fluss mit lachenden Männern und Frauen. Shriver meinte, den Rhein zu erkennen. Zumindest dachte er, dass es der Rhein sein müsste, denn er konnte im Hintergrund eine Burg erkennen. Auf anderen Fotos waren deutsche Soldaten in Ausgehuniformen der deutschen Wehrmacht zu sehen, Frauenporträts, Gruppenbilder von Familien, Schnappschüsse aus einem Garten, mit Männern, die hemdsärmelig um einen Tisch herumsaßen und sich mit geöffneten Bierflaschen zu prosteten. Zuunterst in dem Kasten lagen ein paar Briefe in alter Handschrift. Shriver konnte weder die Anschrift noch den Absender entziffern, es mussten Briefe sein, die in deutscher Schrift verfasst waren.
»Shriver, hörst du nicht? Ich habe gesagt, da sind auch Adressen hinten auf den Fotots. Ich denke, deutsche Anschriften, ich kann sie jedenfalls nicht lesen.« Shoemaker klang ungeduldig.
»Tut mir leid, ich habe nicht zugehört. Was hast du gesagt?« Peter Shriver kam aus der Hocke wieder hoch.
»Ich glaube, die Aufnahmen sind irgendwo in Deutschland gemacht worden. Weil, da sind Adressen hinten auf den Fotos.« Shoemaker hatte eines der Fotos von der Wand genommen und betrachtete nun die Rückseite. Er bemühte sich, den Text zu entziffern. »Brüggen. Wo, zum Teufel, ist Brüggen?«
»Das werden uns die Kollegen schon noch sagen. Komm, ich habe erst einmal genug gesehen. In diesem Brüggen, oder wie das verdammte Kaff heißt, haben die Kollegen ein echtes Problem. Dort geht ein Killer um, und zwar von der ganz üblen Sorte.« Shriver wandte sich zum Gehen. »Gut, dass wir damit nichts zu tun haben. Ich habe keine Lust auf Psychopathen. Los, Hank.«
»Kannst du mir mal sagen, was in einem Menschen vorgeht, der sich solche Bilder an die Wand hängt?«
»Vielleicht geilt er sich daran auf? Was weiß ich? Ich fand es eben allein schon so krank, in solch eine klinisch saubere Wohnung zu kommen. Wie soll ich denn jetzt wissen, warum Frankenstein sich so eine Ausstellung zusammengestellt hat? Ich glaube, je länger ich diesen Polizeijob mache, umso weniger habe ich eine Antwort auf die Frage, warum Menschen sind, wie sie sind.« Peter Shriver war schon fast an der Tür. »Sag dem Hausmeister, er soll hier bloß nichts anfassen und am besten in seiner eigenen Wohnung auf die Spurensicherung warten. Ich möchte nicht, dass er uns hier alles platt trampelt.«
»Geht klar, Chef.« Hank Shoemaker kratzte sich am Hinterkopf. »Brüggen, Brüggen, das habe ich irgendwo schon einmal gehört.«
Peter Shriver zog nur die Schultern hoch und sagte nichts. Bevor sie die Wohnung verließen, löschten sie in den beiden Zimmern die Beleuchtung. Sie hatte ihren Zweck erfüllt.
Ecki sah Frank mit großen Augen an und deutete dabei mit einer Hand hilflos auf den Hörer. »Sorry, ich kann Sie nur sehr schwer verstehen. Können Sie mir das bitte noch einmal erklären? Auf Deutsch? Bitte!«
Frank nahm die Hände von der Tastatur und hörte dem Versuch seines Kollegen zu, dem Redeschwall am anderen Ende der Leitung zu folgen.
Ecki schien nur die Hälfte zu verstehen, denn er schrieb hastig mit und strich das gerade zu Papier Gebrachte meist sofort wieder durch. Das musste ja ein merkwürdiger Kollege sein, den Ecki da in der Leitung hatte. Da er seinem Freund doch nicht würde helfen können, wandte er sich wieder seinen Mails zu, die er noch abarbeiten wollte. Gerade hatte er den Hinweis von Viola Kaumanns gelesen, dass pro Jahr etwa 600.000 alte Menschen in Deutschland Opfer physischer Gewalt werden. Meist, weil die pflegenden Angehörigen mit ihrer Arbeit überfordert waren und ihren Frust an ihren Angehörigen ausließen, die sie eigentlich schützen sollten.
Die Kollegin mochte in der Recherche ja sehr fleißig sein, dachte Frank, aber das Ergebnis brachte sie nicht wirklich weiter. Bisher hatte sich auch nicht der geringste Hinweis darauf ergeben, dass ihre Opfer unter der Gewalt ihrer Angehörige hatten leiden müssen. Mit Ausnahme vielleicht von Verhoeven, aber das war ja nun auch längst noch nicht bewiesen. Bisher war der Sohn nicht mehr als ein dringend gesuchter Angehöriger, der einige Fragen beantworten sollte.
Mittlerweile hatte Ecki das Gespräch beendet. Er sah Frank irritiert an. »Das war ein Peter Shriver. Aus England. Alles habe ich nicht verstanden. Nur soviel, dass er lange mit deutschen Behörden hat telefonieren müssen, bis er endlich einen von uns erreicht hat. Er interessiert
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