Maskenball
rührte in seinem Kaffee.
»Ja ja.« Auch Viola Kaumanns rührte jetzt in ihrem Kaffee.
»Also, das mit den Morden ist schon ein echtes Problem.« Frank wollte unbedingt verhindern, dass sie sich noch länger anschwiegen. Er kratzte sich am Hals.
»Ja. Soweit ich Ecki verstanden habe, fahnden wir jetzt nach zwei möglichen Tätern?«
Viola Kaumanns hatte das ›wir‹ vielleicht eine Spur zu stark betont, dachte Frank. »Ja.«
»Gibt es denn schon Hinweise aus der TÜ von Köhlers Ehefrau? Oder haben wir schon eine Spur von diesem Verhoeven?«
»Weder noch, Frau Köhler telefoniert derzeit entweder mit ihrer Mutter oder mit ihrem Freund. Köhler hat sich bei ihr noch nicht gemeldet. Aber das kann nicht mehr lange dauern.«
»Ich möchte mal wissen, was unsere niederländischen Kollegen alles anstellen, um Köhler zu finden. Ich habe den Eindruck, dass sie den Fall nicht unbedingt mit oberster Priorität behandeln.«
»Den Eindruck habe ich eigentlich nicht. Vermutlich ist Köhler auch gar nicht in Holland. Ich vermute eher, dass er sich irgendwo im Ruhrgebiet aufhält. Er ist nach dem Mord an Hecker bestimmt ganz in der Nähe abgetaucht. In der Hoffnung, dass wir ihn dort nicht vermuten.«
»Kann sein. Das ist ja wie Stochern im Nebel.«
»Das können Sie wohl laut sagen. Wo Sie gerade von Nebel sprechen: Was machen die Listen?«
Viola Kaumanns rutschte auf ihrem Hocker zur Seite, um Frank direkt ins Gesicht sehen zu können. »Das ist so eine Sache mit den Listen. Es gibt, so gesehen, eine unglaublich hohe Zahl von alten Leuten, die in den letzten Jahren verstorben sind. Das ist ja an und für sich nicht ungewöhnlich, sondern normal, quasi biologisch bedingt. Eine ganze Reihe von ihnen haben tatsächlich und naturgemäß in irgendeiner Form an altersspezifischen Krankheiten gelitten. Von daher haben sie, so oder so, Kontakt entweder zur Hardterwald-Klinik oder zu anderen Krankenhäusern mit einer geriatrischen Abteilung gehabt. Ich denke, dass ich in den nächsten Tagen noch einmal zur HWK fahre. Ich habe da ein paar Fragen, die ich mit dem Chefarzt klären will.«
»Geht das nicht schneller?« Franks Frage hatte wieder einen schneidenden Unterton. Deshalb beeilte er sich hinzuzufügen: »Ich meine, möglicherweise lassen sich bei Ihrer Recherche in der HWK ein paar Fragestellungen abarbeiten, die Ihre Arbeit ein bisschen erleichtern würden. Das muss Ihnen doch selbst mächtig auf den Wecker gehen, dass Sie nicht vorankommen.«
»Keine Sorge, Herr Borsch, ich bin nicht so zart besaitet, wie Sie vielleicht denken.«
Erwischt! »Sorry, ich wollte nicht …«
Viola Kaumanns fiel ihm ins Wort. »Schon gut, Sie machen es sonst nur noch schlimmer.« Sie sah wieder auf ihre Kaffeetasse und nahm sie in die Hand. »Wissen Sie, was mich bei der ganzen Sache so fertig macht? Das sind nicht die Morde selbst. Das ist schon schlimm genug. Ich glaube, dass es kaum schlimmer kommen kann. Und ich bin froh, wenn wir den Täter möglichst bald schnappen. Nein, was mich als junger Mensch so fertig macht, ist, dass so viele alte Menschen Selbstmord begehen. Aus Verzweiflung.«
»Aus Verzweiflung? Aber die meisten Menschen haben doch in ihrem Leben jede Menge Verzweiflung erlebt und sicher auch damit Gründe gehabt, sich umzubringen. Warum dann im Alter? Das verstehe ich nicht. Im Alter, sagt man, wird man weise und abgeklärt. Warum dann der Natur vorgreifen? Man ist doch bestimmt froh um jeden Tag, den man noch erlebt.«
»Das habe ich anfangs auch nicht verstanden. Abgesehen davon, dass ich sowieso kein Verständnis für den Freitod habe. Dann habe ich einen Bekannten beim LKA angerufen. Er ist dort Psychologe. Für ihn ist das kein ungewöhnliches Phänomen. Er meint, dass sich in Deutschland jedes Jahr fast 5.000 Menschen umbringen, die älter sind als sechzig. Die sich erschießen, erhängen, vergiften. Das muss man sich mal vorstellen: 5.000 Menschen, jedes Jahr. Das fasse ich nicht.« Mit einer abrupten Bewegung setzte Viola Kaumanns ihre Tasse an und trank sie leer.
Die Frau hat ja ein weiches Herz und macht sich Gedanken, die weit über ihren Job hinaus gehen, dachte Frank. Das hätte er Viola Kaumanns nicht zugetraut, musste er sich eingestehen. »Das Leben ist hart.«
»Das klingt jetzt ein bisschen platt. Meinen Sie nicht?« Viola Kaumanns zeichnete mit einem Finger den Kreis nach, den die Tasse auf dem Tresen hinterlassen hatte. »Besonders lebensmüde, im wahrsten Sinne des Wortes, sind die Menschen ab
Weitere Kostenlose Bücher