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Maskenball

Maskenball

Titel: Maskenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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gewissen Genugtuung auf.
    Es war so: Der Deutsche hatte seine Wohnung ordentlich und in einem sauberen Zustand verlassen. Ein Zustand, der so gar nicht zu der Gegend passen wollte, in der die Wohnung lag. Der Mieter war in der Tat sehr umsichtig gewesen, mit der kleinen Ausnahme, dass er vergessen hatte, im Wohnzimmer und in der Küche das Deckenlicht zu löschen. Keine einfache Unachtsamkeit, sondern ein fataler und kapitaler Fehler, wie Shriver im nächsten Augenblick feststellen musste. In dem kleinen Raum hinter der Küche machten die Ermittler eine Entdeckung, die ihnen die Gänsehaut in den Nacken trieb.
    Kaum hatte sein Kollege in dem abgedunkelten Raum das Licht eingeschaltet, fuhr Shriver beim Anblick der Bilder unwillkürlich einen Schritt zurück. »Mein Gott, Hank, was ist das, um Himmels willen?«
    Über die ganze Wand, die der Tür gegenüberlag, waren in Kopfhöhe Fotos mit Reißzwecken befestigt. Shriver konnte erst nicht einordnen, was er da sah. Dafür brachte ihn der zweite Blick fast um den Verstand. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen zeigten alte Männer, die ihre Augen vor Entsetzen, vor Schmerzen und in panischer Todesangst weit aufgerissen hatten. Und das Weiß ihrer Augen war vom Blitzlicht der Kamera unnatürlich deutlich verstärkt.
    Nachdem sich Peter Shriver von seinem ersten Schrecken erholt hatte, trat er einen Schritt näher, um besser sehen zu können. Er konnte auf den Nahaufnahmen verschiedene Köpfe unterscheiden. Die Münder der Männer waren jedes Mal wie zu einem stummen Schrei weit aufgerissen.
    »Was, zum Teufel, ist das?« Hank Shoemaker trat neben Shriver. Er ging wie ein Kunstkenner ganz nah an die Abzüge heran und schob dabei seine Brille auf den Kopf. »Soll das Kunst sein? Ist dieser Deutsche vielleicht ein Fotokünstler? So etwas habe ich noch nie gesehen. Horror. Aber gut gemacht.«
    »Ich glaube, der Horror ist echt, Hank.« Peter Shriver deutete auf eine Ansammlung von Fotos, die auf dem kleinen Tischchen lagen, das an die Wand unterhalb der bizarren Fotogalerie gerückt worden war. Neben dem Stapel mit den Abzügen stand noch eine offene Schachtel mit schwarzen und weißen Reißzwecken.
    Die Fotos zeigten aufgeschlitzte Kehlen, aus denen dick das Blut schoss. Der unbekannte Fotograf musste im Augenblick nach dem Schnitt auf den Auslöser gedrückt haben. Die Aufnahmen wirkten so echt, dass Shriver meinte, den Geschmack frischen und körperwarmen Blutes auf seinen Lippen zu spüren. Die Umgebung, in der die Fotos gemacht worden waren, musste voller Blut gewesen sein.
    Vorsichtig zerteilte Hank Shoemaker den Stapel Fotos mit seinem Kugelschreiber. Auf mehreren Bildern war so etwas wie ein menschlicher Brustkorb zu sehen, in dem eine Säge oder etwas ähnliches steckte. Überall war Blut. Ein Bild zeigte den geöffneten Brustkorb von oben. Es war nicht mehr als eine blutige Masse zu sehen, aus der der Griff eines Fuchsschwanzes ragte. Einzelne Knochenfragmente ragten spitz und weiß hervor. Eine Operation war das nicht, auch keine Hinrichtung, nur das Zeugnis von Blutrausch und Ekstase. Ein offener Brustkorb, brutal aufgerissen und im Akt der Zerstörung allem Menschlichen beraubt.
    Hank Shoemaker und Peter Shriver hatten das blutgetränkte Archiv einer menschlichen Bestie entdeckt. Ein unerwartetes und gespenstisches Zeugnis roher Gewalt und unmenschlicher Gier nach Zerstörung, inmitten einer sauber aufgeräumten heilen Welt, in der sogar die sorgsam gepflegten Topfblumen auf den schmalen Fensterbrettern auf weißen Deckchen standen.
    »Was ist das? Und, vor allem, wo ist das? Wer sind die bedauernswerten Geschöpfe, die im Augenblick ihres Todes für die Bestie Modell gestanden haben?« Hank Shoemaker stocherte mit der Spitze seines Kugelschreibers zwischen den Fotos herum, als wolle er die Antwort auf seine Fragen in den Gesichtern der Opfer finden.
    Peter Shriver hatte seinem Kollegen nicht zugehört, weil er in die Hocke gegangen war und vorsichtig den altmodischen Kasten hervorgezogen hatte, der auf der Zwischenablage des Tischchens gestanden hatte. Er setzte den hölzernen Behälter auf die Tischplatte und ließ die Verschlüsse aufschnappen. Mit den Fingerspitzen öffnete Shriver den Deckel. Der kleine Behälter war innen mit rotem Samt ausgeschlagen und enthielt nur weitere Fotos. Aber es waren nicht nur Fotos mit den Motiven, die die beiden Polizeibeamten schon gesehen hatten, sondern auch alte Fotos mit gezacktem weißen Rand, Schnappschüsse aus einer längst

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