MASKENBALL UM MITTERNACHT
Rolle nun zwei Wochen lang glänzend gespielt. Das dürfte reichen, um Gerüchte verstummen zu lassen.“
„Aber die Leute werden gewiss über mein gestriges Benehmen klatschen“, sagte Callie und verzog das Gesicht. „Ich wünschte, ich hätte mich besser unter Kontrolle gehabt.“
„Mach dir bitte deshalb keine Sorgen. Der gestrige Abend wird nur den Wahrheitsgehalt unserer Geschichte bestätigen. Du bist plötzlich krank geworden und hast deshalb das Hauskonzert vorzeitig verlassen. Um glaubhaft zu wirken, wirst du mindestens eine Woche lang krank sein, wenn nicht sogar zwei. Wer weiß? Vielleicht zwingt deine Krankheit dich sogar, auf dem Landgut des Dukes Erholung zu suchen.“
Callie lächelte schwach. „Das klingt ja schön und gut, aber eigentlich steht mir nicht der Sinn danach, sterbenskrank zu werden.“
„Hmm, vielleicht hast du recht. Man wird nur mit tausend Fragen über dich herfallen. Bei ausführlichen Lügengeschichten besteht die Gefahr, dass man sich unversehens in Widersprüche verwickelt. Also ist es besser, du verlässt das Haus schon nach einer Woche. Aber nur für kurze Zeit; ich werde darauf achten, dass du sehr vorsichtig bist. Du darfst dich keinesfalls überfordern und einen Rückfall riskieren.“ Francesca lächelte ihr berühmtes, unwiderstehliches Grübchenlächeln.
„Einverstanden“, erklärte Callie bereitwillig. „Du hast mich überzeugt. Und ich gestehe aufrichtig, dass ich sehr erleichtert bin, in den nächsten Tagen niemanden sehen zu müssen.“
„Gut, dann ist es abgemacht“, nickte Francesca. „Ich werde unseren gesellschaftlichen Verpflichtungen in nächster Zeit alleine nachkommen und sie natürlich einschränken, da ich mich als Freundin verpflichtet fühle, deine Krankenpflege zu übernehmen.“
Am Nachmittag zog Callie sich also mit einem Buch auf ihr Zimmer zurück und überließ es Francesca, unangemeldete Besucher zu unterhalten. Sie hätte auch gar nicht gewusst, wie sie es geschafft hätte, eine heitere Miene zur Schau zu tragen.
Ihre Lider waren geschwollen, die Augen gerötet, da sie nachts kaum geschlafen hatte und immer wieder in Tränen zerflossen war, sodass sie sich nun tränenleer fühlte. Doch als sie einen Blick auf das Kleid warf, das ihre Zofe Belinda ihr zurechtgelegt hatte, brannten ihre Augen schon wieder. Dieses Kleid hatte sie getragen, als Bromwell sie zum ersten Mal besucht hatte.
Sie hatte ihn in den letzten zwei Wochen schmerzlich vermisst, doch die Begegnung mit ihm beim Hauskonzert hatte ihr jede Hoffnung genommen. Nun wusste sie endgültig, dass sie ihn für immer verloren hatte. Sie war der Liebe gefährlich nahe gekommen, und das machte ihr den Verlust umso bitterer.
Vielleicht hatte sie die Gefahr aber auch zu spät erkannt, und die Liebe hatte bereits von ihr Besitz ergriffen. Vielleicht liebte sie Bromwell bereits … einen Mann, der sie niemals heiraten würde.
Am nächsten Nachmittag saß Francesca an ihrem Schreibtisch und wunderte sich, dass so wenige Rechnungen aus dem vergangenen Monat zu bezahlen waren, zumal mehr Kosten für Essen, Heizmaterial und Kerzen angefallen sein müssten. Sie hatte den Verdacht, der Besuch von Rochfords Buchhalter bei ihrem Butler habe etwas damit zu tun. Entweder hatte Fenton eine höhere Summe für Callies Kost und Logis angegeben, oder der Duke hatte seinen Buchhalter angewiesen, mehr als nötig zu bezahlen. Sie wusste also nicht, wen sie zur Rede stellen sollte, und von Fenton, der für seine Verschwiegenheit berühmt war, würde sie die Wahrheit ohnehin nicht erfahren.
Als der Butler das Zimmer betrat, glaubte sie einen Moment lang, ihre Gedanken hätten ihn gerufen. Doch dann meldete er, Lady Pencully erwarte Ihre Ladyschaft im großen Salon. Diese Nachricht verdrängte augenblicklich jeden Gedanken an Rechnungen und zu hoch bemessene Gelder.
Lady Odelia schaffte es stets, der souveränen Francesca, die seit vielen Jahren ein eigenständiges Leben führte, das Gefühl zu geben, wieder die Schulbank zu drücken. Wenn Lady Odelia sie durch ihr Lorgnon musterte, hatte Francesca unweigerlich das Gefühl, sie finde irgendeinen Makel an ihr.
Sie wünschte beinahe, Callie nicht überredet zu haben, eine fiebrige Erkältung vorzutäuschen, und schalt sich gleichzeitig, feige zu sein. Im Gegensatz zu ihr schien sich Callie bei all ihrer Jugend nie von ihrer Großtante einschüchtern zu lassen.
Mit einem flüchtigen Blick in den kleinen Spiegel neben der Tür vergewisserte sich
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