MASKENBALL UM MITTERNACHT
Hand und strich ihr eine vorwitzige Locke von der Wange.
Callie verspürte den Wunsch, ihr Gesicht in seine Hand zu schmiegen wie eine Katze, die Augen zu schließen und sich dem wunderbaren Gefühl hinzugeben, seine Nähe zu spüren.
Er ließ die Hand sinken und trat ans Fenster, schob den Vorhang ein wenig beiseite und blickte in die Dunkelheit hinaus.
Nach einer Weile drehte er sich um. „Ich glaube, ich habe Ihnen erzählt, dass meine Mutter starb, als ich noch klein war“, begann er. „Mein Kindermädchen nannte Daphne immer meine ‚kleine Mama‘. Sie passte auf mich auf und spielte mit mir. Wir hatten nur uns, als wir aufwuchsen. Mein Vater war …“ Er zog die Mundwinkel verächtlich nach unten. „Ich habe mir schon als kleiner Junge geschworen, nie so zu werden wie er. Er hatte keinerlei Verständnis für uns und konnte Kinder nicht leiden. Stattdessen erwartete er, dass wir uns wie Erwachsene benahmen und duldete keine kindlichen Schwächen oder jugendlichen Übermut.“
„Das tut mir sehr leid“, murmelte Callie, und ihr wurde warm ums Herz.
Brom lächelte beinahe jungenhaft verlegen. „Das erzähle ich Ihnen nicht, um Ihr Mitleid zu erregen. Ich will über Daphne reden. Sie beschützte mich vor ihm. Seine Strafen waren sehr streng und grausam, und sie bemühte sich, mich davor zu bewahren. Sie versteckte mich, erfand Ausreden für mich, nahm sogar die Schuld auf sich, wenn ich etwas angestellt hatte, weil sie es nicht ertragen konnte, wenn er mich züchtigte. Ich habe ihr sehr viel zu verdanken.“
„Ich weiß.“ Callie lächelte wehmütig. Sie konnte seine Liebe für seine Schwester nachvollziehen. Damals war Daphne der einzige Mensch, der ihn liebevoll behandelte. Er würde ihr nie seine Zuneigung entziehen, mochte sie noch so viel Unrecht tun.
„Sie hatte ein schweres Schicksal. Ich war zu jung, um sie in irgendeiner Weise zu beschützen. Mein Vater zwang sie, eine Geldheirat einzugehen. Sie war sehr schön und hatte viele Verehrer. Aber sie heiratete einen wesentlich älteren Mann, den sie nicht liebte, nur um zu verhindern, dass wir unseren Familienbesitz wegen der Schulden meines Vaters verloren. In der Nacht vor ihrer Hochzeit hörte ich sie bitterlich in ihrem Zimmer weinen. Später, als sie endlich wieder frei war und ein neues, gutes Leben vor ihr lag, verliebte sie sich in Rochford. Ich hasste ihn, weil er sie unglücklich gemacht und sie gezwungen hatte, zum zweiten Mal einen alten Mann zu heiraten und fünfzehn lange Jahre in einem gottverlassenen alten Herrenhaus in Wales zu versauern, weit weg von allen Vergnügungen, die ihr Freude bereitet hätten.“
Er wandte sich stirnrunzelnd an Callie. „Aber nun … nun habe ich das Gefühl, ich würde sie gar nicht wirklich kennen. Ich begreife nicht, warum sie Ihnen das alles angetan hat, nur um Ihnen zu schaden. Ihre Arglist. Die Nacht in Vauxhall Gardens. Ich kann kaum glauben, dass meine Schwester sich diese Intrigen ausgedacht hat. Ihr Herz scheint von Bitterkeit und Hass erfüllt zu sein. Und … ich frage mich, ob ich sie je wirklich gekannt habe. Ob all ihre Geschichten erfunden und gelogen waren. War sie früher schon so, und ich habe es nur nicht begriffen? War ich einfach zu jung und zu dumm, um die Wahrheit zu erkennen?“
Bromwell machte ein so unglückliches Gesicht, dass Callie nicht anders konnte, als zu ihm zu gehen und ihm tröstend die Hand auf den Arm zu legen. „Es tut mir unendlich leid“, wiederholte sie leise und blickte zu ihm auf.
Ihre dunklen Augen leuchteten groß und warm in ihrem fein geschnittenen herzförmigen Gesicht, und Brom geriet erneut in den Bann ihrer Schönheit. Ihr makelloses Antlitz, umrahmt von einer Gloriole dunkler Locken, ihr verlockend roter Kirschmund. Er glaubte beinahe, ihre weichen Küsse zu spüren. Und plötzlich brannte eine sengende Hitze in ihm, obgleich er vom Feuer weit entfernt stand.
Die Decke war Callie von den Schultern geglitten, als sie den Arm gehoben hatte, um ihn zu berühren. Sein Blick wanderte zu ihren Schultern. Der runde Ausschnitt ihres schlichten Kleides gab einen schmalen Streifen heller Haut über dem Busen frei, dessen Rundungen der feuchte Stoff betonte. Broms Herz hämmerte, sein Atem beschleunigte sich. Unter seinem Blick reckten sich ihre Brustknospen und drängten sich sichtbar gegen den Stoff. Sein ganzer Körper war sich pulsierend ihrer Berührung bewusst, die Stelle, an der ihre Hand an seinem Arm lag, fühlte sich sengend heiß
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