Maskenball
mich?«
»Nimms nicht so tragisch. Schwangere sind mit normalen Maßstäben nicht zu messen. Das gibt sich wieder. Wirst sehen. Mit Marion war es ähnlich. Als sie mit Niels schwanger war, hatte sie dermaßen große Gefühlsschwankungen, dass ich ein paarmal gedacht habe, das stehe ich nicht durch. Wenig Schlaf, Stress im Büro und dann eine völlig durchgedrehte Frau im sechsten Monat.«
»Du machst mir Mut. Echt. Ich glaube manchmal, Lisa wird sich nie an meinen Beruf gewöhnen. Ich weiß, wie das enden kann.«
»Mach dir keine Sorgen, Lisa ist nicht Ruth. Und außerdem hat sie dich nicht anders kennengelernt – als Bulle mit den unmöglichsten Arbeitszeiten. Ruth und du, euer Leben hat am Ende einfach nicht mehr zusammengepasst. Vielleicht wart ihr zu lange zusammen. Ihr hattet euch zum Schluss in zwei völlig verschiedene Richtungen entwickelt.«
»Vielleicht hast du recht. Ich habe einfach nur Angst, dass es mir mit Lisa so geht wie mit Ruth.« Frank setzte den Mondeo zurück und fuhr die Einfahrt zum Pförtnerhaus hoch. »Vielleicht bin ich ja auch schon zu alt für eine neue Beziehung. Wenn ich mir die Patienten hier ansehe, komme ich schon ins Grübeln. Du brauchst nur krank zu werden, und schon gehörst du nicht mehr dazu. Bist ein Pflegefall. Eine Last für deine Angehörigen. Abgeschoben in ein Zimmer. Stehst einsam an der Klippe und weißt, es geht nur noch runter.«
»Mensch, Frank, dir geht es ja wirklich schlecht. Du hast ja echte Fieberfantasien.« Ecki musste sich beherrschen, um nicht loszulachen. »Warte ab, heute Abend, nach deinem Bad, wenn du in Lisas Arm liegst, sieht die Welt schon wieder anders aus.« Ecki wollte dem Ganzen noch eins obendrauf setzen. Ein bisschen Stichelei würde Frank sicher guttun. »Weißt du, ich glaube, deine dunklen Gedanken kommen davon, dass du zu viel Blues hörst. Immer diese schrecklichen Schicksalsschläge in den Liedern: Weltuntergangsstimmung, verlorene Liebe, unerfüllte Sehnsüchte. Haus weg, Frau weg, Hund weg. Kein Wunder, dass du davon krank wirst. Du musst positiv denken.« Ecki wandte sich jetzt ganz seinem Freund zu. »Bei der Volksmusik, zum Beispiel, da gibt es in den Liedern trotz Schicksalsschlag und Krise immer auch einen Hoffnungsschimmer. Die positive Grundeinstellung ist es, die dir fehlt. Nimm doch nur mal den Hansi Hinterseer, seine Sieben Rote Rosen. Da geht einem doch das Herz auf. Soll ich mal auflegen?«
Frank konnte schon wieder lachen. »Untersteh dich.«
Es begann zu schneien.
Keine hundert Meter entfernt hatte Privatdozent Dr. Fritz Theodor Hübgens die Tür zu seinem Büro geschlossen und den Hörer in die Hand genommen. »Ganz kurz nur: Die Polizei war gerade bei mir. Ja, die Gelegenheit ist günstig. Seien Sie unbesorgt. Ich werde das schon machen.«
V.
Weit draußen trennte ein kaum wahrnehmbarer dünner Strich den verhangenen Himmel vom gleichfarbigen Meer. Die See rollte ruhig an den Strand. Drei Möwen ließen sich vom Wind träge über den Sand treiben.
Die rhythmische Dünung mahnte ihn, sein Werk endlich zu vollenden. Kleine Bläschen blieben und ein wenig Schaum, wenn die flache See ging. Und wieder. Die Wellen verteilten sich, spülten bis zum Zenit ihrer ewigen Vorläufer. Oder schwappten deutlich weiter hinauf auf den nassen Sand. Und immer ließen sie blassen Schaum und dünne Bläschen zurück, die alsbald im Wind flatterten und zerplatzten oder einfach zwischen dem feinkörnigen Muschelsand verschwanden.
Er beobachtete, wie eine schaumige Welle an seinen Schuhspitzen leckte. Er blieb stehen. Die Mutprobe eines Kindes. Seine Schuhe sanken allmählich in den Sand. Endlich trat er einen Schritt zurück. Mit der Schuhspitze zog er kleine Striche: Einmal lang, dreimal kurz, einmal lang.
Den Kragen seines dicken schwarzen Wollmantels hatte er gegen den Wind und die Kälte aufgestellt. Er war noch müde von der langen Reise. Aber die Mühen hatten sich gelohnt. Wieder einmal. Bald würde es geschafft sein. Nur noch eine kleine Weile. Dann konnte er sein Buch für immer schließen. Wie eine Abrechnung. Lange hatte er auf seinen Augenblick warten müssen. Und oft hatte er an seinem Ziel gezweifelt. Aber nun war ein Anfang mit dem Ende gemacht. Endlich.
Seine Augen tränten, der Wind nahm an Schärfe zu. Die See wurde unruhiger. Auch in ihm begann es wieder zu brodeln. Dabei war er doch gerade erst angekommen. Die Unruhe trieb ihn vor sich her. Er wusste, ohne sich umzudrehen, im Dorf waren die Lichter
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