Maskenball
Sie mir bitte Ihre Ausweise.«
Frank zeigte seinen Dienstausweis.
Wortlos und betont widerstrebend trat die Frau einen Schritt zur Seite und ließ die beiden Kommissare an sich vorbei durch den Flur in das angrenzende Wohnzimmer gehen.
»Bitte, nehmen Sie Platz.« Das Angebot klang abweisend.
Frank und Ecki blieben stehen. »Frau Claassen, wir müssen Ihnen mitteilen, dass Ihr Vater nicht mehr lebt.« Frank hatte Mühe, den Satz über die Lippen zu bringen.
Hiltrud Claassen schien die Worte nicht zu verstehen. »Bitte, was reden Sie da?«
Ecki berührte mit seiner Hand leicht ihren Oberarm. »Wollen Sie sich nicht setzen? Ihr Vater lebt nicht mehr. So wie es aussieht, wurde er ermordet.«
Eine halbe Stunde später hatte sich Verhoevens Tochter wieder ein wenig beruhigt. Zunächst hatte sie es kategorisch abgelehnt, die Nachricht auch nur akustisch wahrzunehmen. Mit fest an die Ohren gepressten Händen saß sie für Minuten stumm in ihrem Sessel. Der Schock saß zu tief. Erst nach einem Weinkrampf, dem die Beamten hilflos und nur mit wenigen Worten begegnen konnten, gewann Hiltrud Claassen ein Stück ihrer Fassung zurück. Hatte sie dann zunächst den Beamten aufrecht und fast störrisch gegenübergesessen, hockte die dunkelhaarige Frau nun mit rot geweinten Augen und mit in ihrem Schoß zusammengeballten Fäusten zusammengesunken vor den Ermittlern. »Ich muss meinen Mann anrufen. So viele Dinge müssen geklärt werden. Die Beerdigung muss arrangiert werden, ich muss unsere Freunde informieren. Welchen Sarg brauche ich?
Wer kümmert sich um die Briefe? Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Was wird mit seiner Wohnung?«
Ecki räusperte sich. »Bitte beruhigen Sie sich, Frau Claassen. Das wird sich schon alles finden. Wir müssen Ihnen allerdings schon jetzt ein paar Fragen stellen. Das können wir Ihnen leider nicht ersparen.«
Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. »Wer tut so etwas? Wer bringt einen kranken alten Mann um? Mein Vater hat doch nichts getan. Warum hat man in der Klinik nicht besser auf ihn aufgepasst?«
»Sehen Sie, Frau Claassen, genau diese Fragen stellen auch wir uns. Hatte Ihr Vater Streit mit jemandem, hatte er Feinde?«
»Feinde? Mein Vater? Aber er war doch Lehrer, er hat nur Gutes getan in seinem Leben. Wie kann man so einen Menschen umbringen?« Schluchzend barg sie ihr Gesicht in ihre Hände. »Nein, nein, nein.«
»Frau Claassen, so schwer es Ihnen jetzt auch fallen mag, bitte versuchen Sie, sich zu konzentrieren. Hat Ihnen Ihr Vater in den vergangenen Wochen oder Tagen irgendetwas erzählt, das uns weiterbringen könnte? Hat er unerwartet Besuch bekommen? Hat er von unfreundlichen Nachbarn erzählt? Oder von einer Begegnung auf einem seiner Spaziergänge, oder bei seinen Besorgungen, die er zu erledigen hatte?«
Hiltrud Claassen schnäuzte sich kräftig die Nase. »Nein, er hat mir nichts erzählt. Er hatte keine Feinde. Ich meine, in Breyell kannte ihn jeder. Er war immer zu allen freundlich. Und auch die Menschen waren freundlich zu ihm. Nicht wenige von den Breyellern sind von ihm unterrichtet worden. Er war doch Volksschullehrer. Er kannte fast alle Breyeller. Da bringt doch keiner einen anderen Menschen um. Wissen Sie, mein Vater hatte noch so viele Pläne. Er wollte in diesem Frühjahr verreisen, wollte vielleicht nach England. Er war immer schon an anderen Ländern interessiert. Nun habe ich doch Zeit, hat er immer gesagt. Und jetzt ist er tot. Einfach nicht mehr da. Was soll nun bloß werden?«
Ecki wollte ihr antworten, aber Frank legte die Hand auf seinen Arm. »Frau Claassen, ich glaube, dass wir für heute genug gehört haben. Wir lassen Ihnen unsere Telefonnummer hier. Wenn Ihnen noch etwas einfallen sollte, können Sie uns jederzeit anrufen.«
»Danke, Herr Inspektor.«
»Nicht Inspektor, Kommissar, Kriminalhauptkommissar, um genau zu sein.« Frank erhob sich.
»Oh, Entschuldigung. Warten Sie, ich begleite Sie.« Hans-Georg Verhoevens Tochter erhob sich und ging voraus in den Flur.
An der Tür drehte Ecki sich noch einmal zu ihr um. »Sagen Sie, Frau Claassen, Sie haben doch noch einen Bruder. Wohnt der auch in Boisheim? Das Krankenhaus konnte uns keine Anschrift mitteilen.«
»Herbert. Nein, der wohnt nicht in Boisheim. Mein Bruder war schon länger nicht mehr hier. Er wohnt weiter weg, müssen Sie wissen. In England. An der Ostküste. In einem kleinen Dorf. Kennen sie England?«
Die beiden Kommissare sahen sie erstaunt und fragend
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