Maskenball
fester.
»Guten Tag, dürfen wir Sie einen Augenblick sprechen?« Frank zeigte der Frau seinen Dienstausweis. »Frank Borsch – und das ist mein Kollege Michael Eckers.«
»Sie kommen sicher wegen meines Mannes. Kommen Sie doch rein.«
Die beiden Ermittler wechselten einen schnellen Blick und folgten der Frau in die große Küche des umgebauten Bauernhauses. Das hatten Frank und Ecki nicht erwartet. Die junge Mutter schien nicht im Geringsten erstaunt über ihren Besuch.
»Woher wissen Sie, dass wir wegen Ihres Mannes hier sind?« Frank hatte als Erster seine Fassung wiedergefunden.
»Wollen Sie einen Tee? Bei dem Wetter tut Ihnen ein Tee bestimmt gut. Ich mache Ihnen einen Grünen Tee.« Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte sie ihren Sohn in einen Hochstuhl, der am langen Küchentisch stand, und schaltete eine Herdplatte an, auf die sie einen verchromten Wasserkessel schob. »Helmuts Chef, also Dr. Hübgens, hat mich angerufen. Um es Ihnen gleich zu sagen, ich weiß nicht, wo mein Mann ist. Er hat gestern ein paar Sachen zusammengepackt und mir gesagt, dass er verreisen und ein paar Tage ausspannen wolle.«
»Und das hat Sie nicht gewundert oder beunruhigt?« Ecki hatte sich schon an den Tisch gesetzt und betrachtete die beiden antiken Küchenschränke, die mit ihren geschnitzten und gedrechselten Aufsätzen bis kurz unter die niedrige Küchendecke reichten. »Ich meine, das muss Sie doch zumindest erstaunt haben, dass Ihr Mann mitten im Winter einfach seine Sachen packt, um irgendwo auszuspannen. Oder hat er das schon öfter gemacht?« Ecki blinzelte dem kleinen Jungen zu und hielt ihm lächelnd einen Stoffhasen hin, der auf dem Tisch gelegen hatte.
»Was heißt gewundert? Mein Mann ist immer schon ein schweigsamer Mensch gewesen, der nicht viel über sich redet.« Die Ehefrau des Oberarztes räumte Tassen mit indischblauem Muster auf den Tisch.
»Hatte er Probleme?« Auch Frank hatte sich mittlerweile an den Tisch gesetzt. Er konnte gerade noch seinen Impuls unterdrücken, unter eine der Tassen zu sehen, ob er altes Porzellan vor sich hatte.
»Probleme? Nein, nicht dass ich etwas Besonderes bemerkt habe. Helmut ist in den vergangenen Wochen immer erst spät vom Dienst gekommen. Aber das ist in seinem Beruf ja nicht ungewöhnlich. Stress hat er gehabt, er war überarbeitet. Er hat viele Überstunden gemacht, wissen Sie.« Astrid Köhler stellte eine große Blechdose mit Wintermotiven auf den Tisch. »Die Plätzchen sind noch von Weihnachten. Ich hoffe, dass man sie noch essen kann.«
»Was hat Dr. Hübgens Ihnen erzählt?« Frank nahm nun doch eine Tasse in die Hand und drehte sie um. An der Unterseite fand er einen blauen Stempel der Manufaktur. Es war also wirklich altes Porzellan. Vorsichtig stellte er die Tasse auf ihren Unterteller zurück.
»Dass man auf dem Gelände der Hardterwald-Klinik einen Toten gefunden hat. Und dass er auf meinen Mann wartet, der eigentlich Dienst hat. Gefällt Ihnen das Porzellan?«
»Oh, Entschuldigung, ich wollte nicht neugierig sein. Ich meine, wussten Sie nicht, dass Ihr Mann zum Dienst eingeteilt war?«
»Nein, mein Mann hat mir gesagt, dass er ein paar Tage Urlaub eingereicht hat. Dass alles mit der Klinik abgesprochen sei. Dieser Tote, wer ist das? Jemand aus dem Krankenhaus?«
»Wie kommen Sie darauf, dass es jemand aus dem Krankenhaus sein könnte? Gab es Streit innerhalb der Belegschaft? Zwischen den Ärzten? Hatte Ihr Mann vielleicht Feinde?« Ecki hatte dem Jungen mittlerweile den Hasen in die Finger gedrückt.
»Nein, nein. Streit? Nicht dass ich wüsste. Außer vielleicht, dass sich die drei Oberärzte der Klinik nicht unbedingt grün sind. Aber das ist normal in einem Krankenhaus. Jeder will schließlich weiterkommen im Beruf, oder? Außerdem leidet er ziemlich unter seinem Chefarzt, der sich wie ein absoluter Herrscher aufspielt. Wer aufmuckt, hat schlechte Karten. Aber das ist in der Welt der Medizin auch normal, so normal wie die stressigen Schichten, die Zusatzdienste, die mein Mann immer wieder übernehmen musste, um in seiner Karriere nicht alle Chancen auf ein Weiterkommen zu verspielen. Mein Mann hat sich oft darüber geärgert, dass er Gutachten schreiben musste und sein Chef dafür kassiert hat, ohne ihn angemessen zu beteiligen.« Sie seufzte und strich sich müde eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Mein Mann hat schon mit dem Gedanken gespielt, nach England zu gehen. Irgendwo an die Küste. Dort ist die Bezahlung besser, der Umgangston
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