Maskenschmuck (German Edition)
dass Besitz sie nur stören würde. daher hatte es Rebecca immer gewundert, dass sie an diesem einen Schrank so offensichtlich gehangen und ihn bei jedem ihrer Umzüge mitgeschleppt hatte. Lara und Jan hatten ihn schließlich vor dem Auktionator gerettet und ihn erst mal auf ihrem eigenen Boden verwahrt. Sie wollten warten, bis Rebecca den Tod ihrer Eltern einigermaßen verdaut hatte. Jetzt schien ihnen der Moment gekommen. Rebecca hatte außer den Fotoalben und den Aufzeichnungen ihres Vaters so gar keine Erinnerungsstücke behalten.
„Nicht, dass es da irgendwelche Wertgegenstände gegeben hätte, die es wert gewesen wären, aufgehoben zu werden“, hatte Lara trocken zu Jan gesagt, „Aber der Schrank ist schon etwas Besonderes, Tante Gesa hat ihn nicht umsonst so geschätzt.“
Rebecca stand versonnen vor dem verstaubten Stück, fuhr probeweise mit der Hand darüber. Jetzt kam die warme dunkle Farbe des Holzes zum Vorschein.
Früher mochte sie ihn nicht leiden und hatte ihn nur wenig beachtet, weil er ihr so unmodern erschien mit seinen Türen und den vielen Verschnörkelungen. Heute sah sie ihn mit anderen Augen. Sie sah in ihrer Erinnerung ihre Mutter vor den geöffneten Türen sitzen, an der heraus geklappten Schreibplatte eifrig über ihre Bücher und Briefe gebeugt. Immer stand eines der vielen Fächer offen, die sie bis zum Rand mit Utensilien gefüllt hatte.
„Ich glaube, er wird gut zwischen die beiden Fenster an der Stirnseite meines Wohnzimmers passen“, erwärmte sie sich schon für den Schrank, „Ein bisschen aufpolieren muss ich ihn wohl, aber dann wäre er ein guter Gegensatz zu meinen anderen Möbeln.“
„Alles klar!“, tönte Jan resolut dazwischen, „Nach dem Abendessen bringen wir ihn in meinem Hänger gleich zu dir nach Hause, damit wir hier mal wieder Platz haben. A propos Abendessen ... Ich sterbe gleich vor Hunger! Kommt runter.“
Beim Essen drehte sich die Unterhaltung dann um andere Dinge. Jan wollte von einem schwierigen Fall im Krankenhaus erzählen, der ihm Kopfzerbrechen bereitete, und Nicki versuchte, noch einmal das Thema „Piercing“ auf den Tisch zu bringen, erntete aber nur ein müdes Schulterzucken ihrer Eltern. Rebecca verzichtete diesmal wohlweislich auf eine Stellungsnahme. Nicki nahm es sportlich. Ihre Stunde würde noch kommen, dachte sie philosophisch. Steter Tropfen höhlt den Stein. Mit dieser Methode hatte sie schon oft Erfolg gehabt. Irgendwann würden ihre Eltern schon nachgeben, wenn sie oft genug bohrte, hoffte sie optimistisch.
„Grins nicht so hoffnungsfreudig!“, knuffte Lara sie freundlich in die Seite.
Konnte ihre Mutter etwa Gedanken lesen? Irritiert schüttelte sich Nicki und wandte sich Rebecca zu.
„Kann ich dir bei dem Schrank helfen? Ich könnte morgen Abend nach dem Reiten zu dir kommen.“
„Ich weiß gar nicht, ob daran überhaupt so viel zu tun ist, aber komm ruhig vorbei“, lächelte Rebecca ihr Patenkind freundlich an. Sie war nie länger als bis halb sechs in ihrem „Geschäft“, wenn man es denn so nennen konnte. Es war eher eine Werkstatt mit Ausstellungsregalen.
Nicki schneite häufig auch unangemeldet zu ihr herein. Rebecca freute sich jedes Mal über ihre ungezwungenen Erzählungen und ihre lebhafte Art. Die hatte sie von ihrer Mutter, wie so vieles andere auch, wovon beide natürlich nichts wissen wollten – wenn sie sich gerade mal wieder „in der Wolle“ hatten über Kleinigkeiten. Beide waren schnell aufbrausend, beruhigten sich aber ebenso schnell wieder.
*
Als Rebecca am nächsten Abend nach Hause kam, saß Nicki schon wartend vor ihrer Haustür.
„Hallo Nicki, so früh habe ich dich gar nicht erwartet. Sitzt du schon lange hier?“ Sie nahm sie in die Arme und drückte sie kurz.
„Macht nichts“, meinte Nicki großzügig, „Reiten war heute ganz doof, wir hatten einen anderen Reitlehrer, der hat dauernd nur rumgebrüllt und Kommandos erteilt. Da war ich froh, als ich weg war. Ganz blöder Typ!“
Ihren Unmut konnte Rebecca sich gut vorstellen – Nicki und Kommandos passten ganz und gar nicht zusammen.
Oben in ihrer Wohnung röntgte Nicki erst mal den Kühlschrank, bediente sich großzügig am Käse und kehrte befriedigt mampfend mit einem riesigen Weißbierglas gefüllt mit Cola zurück. Nachdem sie die Hälfte davon durstig geleert hatte, stellte sie
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