Maskenschmuck (German Edition)
es aufseufzend auf den Tisch und stöhnte: „Das traf auf eine leere Stelle!“
Rebecca lachte: „ Konntest du kein größeres Glas auftreiben?“
Nicki stutzte, dann fiel der Groschen, und sie musste auch lachen. Gleich darauf machten sie sich beide eifrig an die Arbeit, den Schrank einzuwachsen und zu polieren. Dabei unterhielt sich Rebecca großartig über Nickis Schilderungen der Gemeinheiten und Schikanen ihres neuen Reitlehrers. Schließlich waren sie fertig und traten zurück, um ihr Werk zu bewundern. Er sah wunderschön aus zwischen ihren Fenstern, zumal die Abendsonne hineinschien und ihn in ein weiches Licht tauchte.
„Ach!“, fiel Nicki dann ein, „Papa sagte, ich sollte doch meine Computerkenntnisse mal sinnvoll nutzen und mich über solche Schränke informieren. Hier“, sie fischte aus ihrer Jacke leicht zerknüllte Zettel heraus.
„Guck mal, das ist ein Kabinettschrank – so hat deine Mutter ihn doch genannt.“
Sie zeigte auf ein Bild, das sie auch ausgedruckt hatte: „Das könnte doch hinkommen, so ähnlich sieht er aus. Und Mama sagte, dass Tante Jane ihr erzählt hat, dass er sehr alt sei. Lies mal:
Sie wurden im 16. oder 17. Jahrhundert gebaut, waren überreich mit teilweise vergoldeten Silberornamenten und Figuren verziert.
Na, o.k., überreich wäre geprahlt, aber ein bisschen verziert ist er schon.
und mit vielen Türen, Schubladen und teils raffiniert verborgenen Geheimfächern ausgestattet.
Viele Türen und Fächer hat er ja, dein Schrank. Das müssen wir gleich mal untersuchen! Geheimfächer! Klingt doch hammerstark!“ Mit leuchtenden Augen blickte sie Rebecca an.
Rebecca nahm Nicki die Zettel aus der Hand und setzte sich aufs Sofa, um sie in Ruhe nochmals durchzulesen. Die Bilder ähnelten ihrem Schrank nur ein wenig. Ja, „Kabinettschrank“ hatte ihre Mutter ihn genannt, aber ob er wirklich so alt war, konnte sie nicht sagen. Da müsste sie schon einen Sachverständigen befragen. Wie dem auch sei, er sah einfach schön aus hier in ihrer Wohnung, und so ein Erinnerungsstück war vielleicht auch nicht zu verachten. Ein Knirschen schreckte sie aus ihren Überlegungen auf.
„Oh, Scheiße!“ Das klang eindeutig nicht gut.
„Ich glaube, jetzt habe ich etwas kaputt gemacht.“ Schuldbewusst drehte sich Nicki zu Rebecca um.
Sie hatte eine der kleinen Schubladen aus ihrer Arretierung herausgezogen und hielt sie jetzt in der Hand.
„Mal sehen, ob wir die nicht einfach wieder reindrücken können.“ Rebecca schob die kleine Lade vorsichtig in die Öffnung zurück und rüttelte ein bisschen daran.
„Na, ganz perfekt sitzt sie nicht, aber das gucke ich mir ein anderes Mal genauer an.“ Sie sah auf die Uhr und scheuchte Nicki davon.
„So spät schon, du musst jetzt wirklich los, sonst bekommst du deinen Bus wieder nicht. Aber vielen Dank noch einmal für deine Hilfe. Der Schrank sieht schon wieder richtig gut aus.“
Nicki zog eine Flunsch, sie hatte eigentlich auf eine Fahrt in Rebeccas Auto gehofft, sah aber dann schnell an Rebeccas Miene, dass es keinen Zweck hatte, sie darum zu bitten.
„Gern geschehen!“ Sie strahlte schon wieder und lief leichtfüßig die Treppe hinunter.
Rebecca, die an Nickis häufige Stimmungswechsel gewöhnt war, winkte ihr hinterher und schloss die Tür. Noch schnell ihre Segeltasche packen – morgen Abend fand die Regatta statt, und dann stand einem gemütlichen ruhigen Abend nichts mehr im Wege. Sie hatte sich gerade einen neuen Roman gekauft und freute sich schon auf ein paar spannende Schmökerstunden. Die Inhaltsangabe hatte gleich ihr Interesse geweckt.
*
Am nächsten Tag wurde sie von Lara aus ihrer Arbeit an einem Schmuckstein aufgeschreckt. Lara tippte sie auf die Schulter.
„Rebecca, ich habe schon dreimal geklopft, du hast nichts gehört!“
Rebecca stellte ihr Poliergerät aus und setzte die Schutzbrille ab.
„Wie denn auch, bei dem Lärm?“ Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht.
„Was gibt’s ?“
„Nicht „was“ ist hier die Frage, sondern „wer“!“ Lara öffnete die Tür weiter und zog einen jungen Mann hinein.
„Hallo“, lächelte er leicht verlegen, „ich hoffe, ich störe nicht zu sehr. Ich bin auf dem Weg nach Dänemark. Du hattest mich eingeladen, dich zu besuchen, da habe ich auf dem Weg dahin einen Stopp eingelegt. Tja, und nun – hier bin ich!
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