Maskenspiel
Da werde ich dich ficken, dass dir Hören und Sehen vergeht. Vierzehn Uhr. Ich schicke einen Wagen vorbei. Zieh die Schuhe mit den höchsten Absätzen an, die du hast. Du wirst sie brauchen.«
Oje, worauf habe ich mich da nur eingelassen, denke ich, als ich vor dem Hotel warte. Die Worte »ficken« und »höchste Absätze« wirbeln in meinem Kopf herum und verbinden sich zu einem Szenario, das ich mir selbst in meinen kühnsten Träumen nur ansatzweise ausmalen kann.
Ich bin so aufgeregt, dass ich tatsächlich das Gefühl habe, mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Zu meiner schönsten Unterwäsche, den halterlosen Strümpfen und meinen schwarzen Pumps trage ich ein silbergraues, gut knielanges Wickelkleid mit einem dezenten Blumenmuster, das ich mir heute Morgen noch schnell gekauft habe. Irgendwie erschienen mir sowohl mein schwarzer Hosenanzug als auch meine Jeans unpassend. Ja, ich gebe es zu, ich will Christopher gefallen.
Neben mir hält eine schwarze Limousine. Christopher öffnet mir die Tür. »Ich dachte mir, es ist dir vielleicht lieber, wenn wir zusammen fahren.«
Was hat er vor? »Fahren wir nicht zu dir?«
»Nein.«
Mehr sagt er nicht. Ich schaue unsicher aus dem Fenster. So gut kenne ich London nicht, dass ich sagen könnte, wohin die Reise geht. Nach etwa fünfundzwanzig Minuten biegen wir in eine von Bäumen gesäumte Straße ein. Hinter schmiedeeisernen Gittern verbergen sich große, zumeist viktorianische Villen mit riesigen Gärten. Vor einer davon halten wir an.
»Wo sind wir hier?«
Er zögert einen Moment. »Hampstead.«
Ich sehe mich staunend um. Christopher steigt aus, hält mir die Wagentür auf, reicht mir seine Hand, die ich nur zu gerne ergreife, und schließt die Wagentür hinter mir. Ich höre, wie die Limousine wegfährt.
Christopher zieht mich zum Tor und klingelt. Fast augenblicklich ertönt ein Summen, und wir gehen die Auffahrt hinauf zum Haus. Die Haustür ist bereits einen Spalt geöffnet. Ein blonder Mann, vielleicht Anfang dreißig, scheint nicht erstaunt, uns zu sehen. Ich hingegen bin leicht irritiert.
»Du kennst dich ja aus«, begrüßt er Christopher.
Der nickt. »Das ist Emily«, sagt er nur, »wir gehen ins Spielzimmer.«
Spielzimmer?
Unruhig folge ich Christopher die Treppe hinauf in den ersten Stock und einen Flur entlang. Vor einer der weiß lackierten, altmodisch aussehenden Holztüren hält er an.
»Bereit?«
Wofür soll ich bereit sein? Einen Moment spüre ich Panik. Nicht nur Schmetterlinge im Bauch, sondern wirkliche Angst. Ich räuspere mich. »Der Mann eben …«
»Dean. Der wird uns nicht stören.«
Ich starre auf den Teppichboden und die Tür vor mir. Was könnte sich dahinter verbergen?
Er wiederholt seine Frage. »Bereit, Emily?«
»Ich weiß nicht.« Irgendwie klinge ich plötzlich wie ein Häufchen Elend.
Christopher sieht mich einen Moment abschätzend an. »Schau es dir wenigstens mal an. Wenn du dann wieder gehen willst, gehen wir.«
So ein klein bisschen neugierig bin ich ja doch. »Okay.« Wird schon nicht so schlimm sein.
Christopher öffnet die Tür einen Spalt und lässt mich eintreten.
»Oh.« Am liebsten hätte ich gleich wieder kehrtgemacht, aber er steht direkt hinter mir.
»Ich hab doch gesagt, dass ich dich beim nächsten Mal fesseln werde.« Christophers Stimme ist samtweich an meinem Ohr.
Ja. Aber da habe ich es noch für einen Scherz gehalten. Das hier hingegen sieht ziemlich real aus. Jetzt ist auch klar, was er mit ›Spielzimmer‹ gemeint hat. Und es handelt sich keineswegs um Kinderspiele.
»Schon, aber irgendwie hatte ich gedacht, wir würden trotzdem … Liebe machen.« Meine Stimme krächzt ein bisschen.
»Hier geht es nicht darum, Liebe zu machen, Emily.« Christophers Stimme ist schneidend. »Es geht darum, Spaß zu haben, Grenzen auszutesten. Wenn du dafür nicht bereit bist, werden wir sofort wieder gehen.«
Aber was wäre dann? Ich will nicht, dass es kein nächstes Mal gibt. Unsicher mache ich ein paar Schritte in den Raum. Heller Boden, helle Wände, helle Vorhänge, gegen die Nachmittagssonne zugezogen. Dadurch herrscht leicht gedämpftes Licht und eine nicht unangenehme Atmosphäre. Wenn da nur nicht …
Wenn du in einer Situation bist, die dir Angst macht, versuche, sie rational zu erfassen, hat mein Vater immer gesagt. Angst lähmt, unter Angst triffst du falsche Entscheidungen. Lass deinen Gegner niemals merken, dass du unsicher bist, das verschafft ihm einen Vorteil. Nimm dir genügend
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