Maskenspiel
dem Mord an Henry zu tun haben.«
Uttenreuther machte ein undurchdringliches Gesicht.
»Burgwart?«
»Fria Burgwart«, begann Katinka und war dankbar, erst vorhin die Persönlichkeitsprofile ins Reine geschrieben zu haben, »könnte den Wunsch haben, die anderen in ihrem wissenschaftlichen Fortkommen zurückzuwerfen. Das gilt meiner Ansicht nach für alle Mitarbeiter, aber nicht für Montfort, zumindest nicht in dem ausgeprägten Maße. Alle, mit denen ich bisher gesprochen habe, beschreiben Fria als sehr fleißig, als ehrgeizig, und als teilweise völlig erschöpft, weil sie nächtelang an ihrer Arbeit sitzt.“
»Kann ihr denn ein Student in die Quere kommen, wissenschaftlich gesehen?«, sagte Uttenreuther beiläufig, die grauen Augen in seinem Krug versenkt. »Also hat Wewerka etwas gewusst, was er nicht ausplaudern sollte. Frage: Warum hat er es Ihnen nicht gesagt? Sie haben doch am Mittwoch mit ihm gesprochen?«
Katinka fand es beängstigend, dass Uttenreuther so gut Bescheid wusste. Oder kombinierte er nur? Zu deutlich spürte sie, wie viel Berufserfahrung er ihr voraushatte. Es entmutigte sie.
»Er wirkte fahrig und nervös«, sagte sie. »Er brauchte ein Bier, um sich zu beruhigen«, sie wies lächelnd auf ihren und Hardos Krüge, »und als die Befragung beendet war, sah ich ihn mit Ruth heiß diskutieren. Ich ging den beiden nach und hörte, wie sie sich darüber stritten, warum man nicht sagen könne, wen man im Verdacht hätte, wenn man schon danach gefragt würde. Ruth Lebewang warf Henry sozusagen vor, er hätte seinen Verdacht nicht geäußert. Sie selbst stellte Fria Burgwart als die wahrscheinliche Täterin hin.«
»Interessant«, murmelte Uttenreuther.
Betti brachte das Essen. Uttenreuther bekam Sülze mit Musik. Hungrig stürzte sich Katinka auf ihr Schnitzel.
»Normalerweise rede ich beim Essen nicht gern über die Arbeit«, erklärte Uttenreuther und zerlegte seine Sülze. Er schaufelte die Zwiebeln auf seine Gabel und schleuderte Brotbrocken in die Essigsoße. Katinka musterte ihn verstohlen, während sie an ihren Pommes knabberte.
»Finden Sie nicht, dass es zu Helena Jahns-Herzberg passen würde, Unliebsames verschwinden zu lassen?«, fragte Katinka. »Auch … Menschenleben.«
»Ist das Ihre eigene Meinung? Oder die Ihrer Quellen!«
»Tja«, machte Katinka und betrachtete nachdenklich ihr Schnitzel. Es war ewig her, dass sie eines gegessen hatte. »Helena Jahns-Herzberg wird sehr geschätzt. Frau Frinke-Laubach bezeichnet sie als so was wie eine Überfliegerin. Meine Meinung ist«, fing Katinka unschlüssig an und kam ins Schleudern.
»Ihre Meinung?«
»Sie ist eiskalt.«
Uttenreuther schwieg. Er sah aus, als sei er allein beim Essen, so eindringlich befasste er sich mit seiner Sülze. Katinka dachte an die rätselhaften Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter. Sollte sie Uttenreuther davon erzählen? Wie wäre seine Reaktion? Aber diese Anrufe und auch der eigenartige Zettel an ihrer Tür, der momentan zwischen den Blättern ihres Notizbuches klemmte, hatten nichts mit dem Mord zu tun. Sie bezogen sich auf Katinkas Ermittlungen, auf die verschwundene Diskette und die gelöschten Programmdateien. Sie untersuchte ja gar nicht den Mordfall. Nein, es war besser, Uttenreuther nicht alles zu sagen. Sie schätzte hoch ein, dass er ihr die Informationen zu den Alibis der Verdächtigen gegeben hatte. Musste sie im Gegenzug alles andere breittreten? Auch das mit der Unbekannten vor ihrer Wohnungstür?
»Es sind noch zwei Leute am Lehrstuhl beschäftigt«, sagte er nun, schob den Teller, in dem noch ein Rest Essigsoße vor- und zurückschwappte, von sich und heftete seine grauen Augen auf Katinka. »Stielke und Lodenscheidt.«
»Stimmt«, sagte Katinka und wunderte sich über sein Gedächtnis. »Elfi Lodenscheidt wird als naiv beschrieben, als fleißiges Lieschen.«
»Was denken Sie?«, fuhr Uttenreuther rau dazwischen.
»Unvorstellbar, dass sie sich als Mörderin entpuppt«, überlegte Katinka. »Aber sie ist dem Lehrstuhl sehr verbunden, anscheinend auch persönlich. Sie versteht den Familienzusammenhalt als eine Art unschätzbaren Wert, und sie hat was gegen Leute, die von außen hineinkommen.«
»Stielke?«
»Der ist der Sonderbarste unter den Sonderbaren«, gab Ka-tinka zu und berichtete von ihrem Argwohn, was den Verlust seiner Diskette betraf.
»In der Tat sehr eigenartig«, bestätigte Uttenreuther. »Aber ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass sich dieser Lehrstuhl
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