Mass Effect 01 - Die Offenbarung
zu bewegen - vielleicht reichte der Spielraum aus, um sich aus den Fesseln zu befreien. Indem sie sich hin und her wand, schaffte sie es, ihren Körper weit genug zu verdrehen, um ihre verketteten Handgelenke hinter die Hüftknochen und den Rücken bis hinunter zu den Oberschenkeln zu bewegen. Dann erreichte sie die Knie. Sie rollte so lange hin und her, bis sie die Beine hindurchziehen konnte. Ihre Handgelenke waren immer noch gefesselt, aber jetzt waren sie zumindest vor ihrem Körper.
Sie unterdrückte den Würgereiz, als sie auf allen vieren durch das Blut ihres Angreifers kroch, bis sie sich direkt über seinem bewegungslosen Körper befand. Er keuchte noch in flachen Zügen. Kahlee atmete aus, ihr war nicht mal aufgefallen, dass sie die Luft angehalten hatte. Ihr taten die brutalen Schläge und Tritte nicht leid, mit denen sie um ihr Leben gekämpft hatte. Aber sie war froh, dass sie nicht den Tod dieses Mannes auf dem Gewissen hatte.
Ihre Ausbildung hatte sie gerettet. Und die Unachtsamkeit ihres Gegners. Doch während das Adrenalin abgebaut wurde und sie begann, über die ganze Sache nachzudenken, spürte sie die ersten Anflüge einer Panikattacke. Sie war zwar Soldat, aber sie war nie im Kampfeinsatz gewesen. So etwas wie eben war ihr noch nie passiert.
Weitermachen, Sanders!, hörte sie die Stimme ihres früheren Ausbilders. Du hast diese Scheiße noch nicht hinter dir.
Sie biss die Zähne zusammen, fest entschlossen, die Sache zu Ende zu bringen. Trotzdem zitterte sie, als sie am blutdurchtränkten Gürtel des Mannes nach dem Schlüssel für ihre Fesseln suchte. Die Handschellen zu öffnen, war ähnlich schwer, wie sie vom Rücken nach vom zu kriegen. Sie steckte den Schlüssel zwischen die Zähne und versuchte, ihn ins Schloss zu bekommen. Nach mehreren frustrierenden Minuten hörte sie, wie es klickte und ihr linkes Handgelenk freikam. Jetzt dauerte es nur eine weitere Sekunde, bis sie die Handschellen ganz los war.
Kahlee schaute sich um und war erleichtert, dass bislang niemand in die Seitenstraße gekommen war. Sie nahm die Waffe aus dem Holster des Mannes, überprüfte den Sicherungshebel und steckte sie unter ihrer Jacke in den Gürtel. Dann richtete sie sich auf.
Sie wusste nicht, für wen der bewusstlose Mann arbeitete, aber es war klar, dass er nach ihr gesucht hatte. Das bedeutete, dass auch noch andere hinter ihr her waren. Man würde den Raumhafen überwachen und darauf warten, dass sie diese Welt verlassen wollte. Sie saß in der Falle. Sie konnte nicht mal zurück auf die Hauptstraße. Nicht mit den blutverschmierten Sachen am Körper.
Ihr blieb nur noch ein Ausweg. Kahlee atmete tief ein, um ihre blank liegenden Nerven zu beruhigen. Sie ließ ihren Angreifer einfach liegen und entfernte sich schnell von der belebten Straße. Den Rest der Nacht schlich sie durch die Hinterhöfe Elysiums und vermied es sorgfältig, irgendjemandem über den Weg zu laufen. Auf Umwegen näherte sie sich dem Haus der einzigen Person, die sie um Hilfe bitten konnte. Es gehörte dem Mann, mit dem sie, wie sie ihrer Mutter versprochen hatte, nie mehr hatte reden wollen.
5. KAPiTEL
Innerhalb eines Jahrzehnts nach der Entdeckung durch die Batarianer war Camala einer der bedeutendsten Planeten innerhalb des skyllianischen Randsektors geworden. Anders als auf anderen Kolonien, wo die ersten Populationen klein waren und die Siedler dazu neigten, sich um eine große Stadt herum niederzulassen, konnte sich Camala zweier Ballungszentren rühmen. Jedes war von über einer Million Leuten bevölkert: Ujon, die Hauptstadt, und das etwas größere Hatre, wo sich der Raumhafen befand.
Die beiden Städte waren rund 500 Kilometer voneinander entfernt, errichtet an den beiden Enden einer großen, unwirtlichen Wüste - der Quelle von Camalas schnellem Wachstum. Denn unter der dünnen Schicht des orangefarbenen Sands und dem harten, roten Fels darunter lagen einige der größten Vorkommen des Elements Zero im gesamten Randsektor. Es war der wertvollste Rohstoff der ganzen Galaxis, und er bestimmte Camalas Wirtschaft. Er lockte Kolonisten an, die ihr Glück in den Hunderten kreuz und quer über die Wüste verteilten Minen und Raffinerien suchten. Die Mehrheit der Bevölkerung bestand aus Batarianem, nur sie erhielten die vollen Bürgerrechte. Aber wie in jeder Kolonie mit funktionierender Wirtschaft gab es einen steten Strom von Besuchern und Einwanderern aus allen Mitglieds Völkern der Citadel.
Camala war die reichste
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