Mass Effect 03 - Vergeltung
jedes einzelne Element, das er auf seinem Weg untersuchte, eher zu amüsieren. Es e r innerte ihn an eine Ameisenfarm, die er als Kind gehabt hatte. Die Insekten hatten mit sklavischer Hi n gabe ihr Netzwerk aus Tunneln gebaut. Sie gruben und verä n derten den Sand in dem kleinen Glasb e hälter, der ihre gesamte Existenz bildete. Er hatte sie durch das Glas beobachtet, während sie fleißig und emsig arbeiteten, ihre eigene Unwichtigkeit im gr o ßen Bild des Universums völlig vergessend.
Er n äherte sich dem Lagerhausbezirk. Bald würde er Kahlee wiedertreffen. Allein der Gedanke an sie ließ seinen Puls und sein Tempo steigen. Er bewältigte die Strecke mühelos, als würde er von einer unbekannten Kraft angetrieben. Es fühlte sich ganz anders an, als wenn die Reaper die Kontrolle über seinen Körper übernommen hatten. Denn dabei war er weit entfernt von allem gewesen, ein passiver B e obachter. Jetzt f ühlte er sich voll in den Prozess eingebunden, einen Fuß vor den anderen zu se t zen, um sich fortzubewegen. Es schien ihn keine Mühe zu ko s ten. Es war fast so, als würde ihm jemand helfen.
Eine symbiotische Beziehung.
Grayson blieb pl ötzlich stehen. Sein ruhiges, entspanntes Au f treten wurde von einer dunklen Wolke des Misstrauens ve r schluckt. Er versuchte, sich umzudrehen und den Weg zurüc k zugehen, doch seine Beine fühlten sich schwer und müde an. Er schaffte nur zehn Schritte, bevor er sich krümmte und ke u chend stehen blieb. Sein eigener Körper bekämpfte ihn, widersetzte sich ihm.
Langsam d ämmerte ihm die schreckliche Wahrheit. Die Alientechnologie war so tief in seinen Körper und Geist eing e drungen, dass die Reaper nun ein u n trennbarer Teil von ihm geworden waren. Als er in Richtung Kahlee gegangen war, ha t ten sie zusa m mengearbeitet. Der Parasit und sein Wirt verfolgten dasselbe Ziel. Sie hatten sich tief in jede Faser seines Wesens eingegraben, sodass er nicht nur unfähig gewesen war, sich i h rem Willen zu widersetzen, er hatte auch noch aktiv dabei g e holfen, ihre Ziele zu erreichen.
„Nein“, rief er harsch und trotzig. „Ich bringe euch nicht zu ihr!“
Er bereitete sich auf den unausweichlichen Schmerz vor, mit dem die Aliens seinen Willen beugen w ü r den. Doch er spürte nichts. Das Fehlen des Wide r stands verwirrte ihn. Er wusste, dass sie immer noch da waren. Die Kabel und Röhren, die aus seinen Gelenken kamen und seine Haut durchzogen, best ä tigten das zweifellos. Er behandelte sie nicht mehr als etwas anderes, sie waren nun ein Teil von ihm. Untrennbar und ununte r scheidbar von seiner eigenen Identität.
Das ist etwas Gutes. Der Einfluss kann in beide Richtungen wirken.
Eine verr ückte Idee begann sich in seinem Geist zu bilden. Wenn die Reaper-Technologie nun ein Teil von ihm war, bedeutete das vielleicht, dass er sie b e einflussen und kontrollieren konnte, genauso, wie die Reaper seinen Körper zuvor kontrolliert hatten. Vielleicht konnte er auf die kybernetischen Verbe s serungen und seine neuen biotischen Eigenschaften zurückgreifen, wenn er es wollte. Vielleicht ließen sie sich als Werkzeuge einsetzen, um seine eigenen Ziele zu erreichen.
Du stehst über solchen erbärmlichen Wesen aus Fleisch, die dich umgeben.
Dieser Gedanke lie ß ihn taumeln. Er war befreiend. Ihm war plötzlich klar, dass er den langsamen, a r beitsintensiven Prozess der natürlichen Auslese überwunden hatte. Der Kreislauf, in dem zufällig mutierte Gene von einer Generation zur nächsten wa n derten, in der Hoffnung, auf diese Weise einige kleine natürliche Vorteile zu erhalten, war durc h brochen. Er selbst änderte sich, schnell, zielgerichtet und entwickelte sich zu einem perfekten Wesen.
Verstecke nicht, was aus dir geworden ist. Enth ülle deine Her r lichkeit.
Er hatte Angst gehabt, was Kahlee von seinen Ver änderungen hielt. Er sah merkwürdig aus. Anders. Doch sie war Wisse n schaftlerin. Sie würde verstehen und anerkennen, was mit ihm geschah. Sie würde erkennen, wie er sich verbessert hatte. Neu gestaltet. Sie würde ihn bewundern. Verehren.
Er drehte sich auf dem Absatz um, ging direkt zu dem Lage r hausbezirk und erwartete begierig das Treffen, dem er sich noch vor wenigen Minuten trotzig w i dersetzen wollte.
Kai Leng sa ß auf der Couch in dem kleinen Zi m mer, das er vor zwei Nächten gemietet hatte, und starrte intensiv auf das Bild auf seinem Monitor, während er sich abwesend sein Abendessen in den Mund löffelte. Der Monitor war mit
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