Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Massiv: Solange mein Herz schlägt

Massiv: Solange mein Herz schlägt

Titel: Massiv: Solange mein Herz schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massiv mit Mariam Noori
Vom Netzwerk:
besonderes Talent sein oder an Hochmut leiden. Nach dem ersten Song legte er seinen Kopf gequält zur Seite und versuchte, seine Abscheu zu verbergen. Er dachte wohl daran, dass ich gut zahlen würde, und wie jeder weiß, sind Menschen für Geld auch fähig, ihren Ekel zu verbergen. Am Ende drückte er mir eine CD in die Hand und sagte mit einem fast mitleidigen Unterton in der Stimme: »Naja, hoffen wir mal, das wird was.«
    »Es wird was«, erwiderte ich entschlossen und gab ihm das Geld.
    Ich wusste, was für einen Eindruck ich machen musste: ein brauner Prolet, der unbedingt berühmt werden wollte. Ich las meinem Umfeld an der Nasenspitze ab, was sie über mich dachten, aber nicht aussprachen.
    Amani sagte: »Es ist schwer, unter all den Talenten entdeckt zu werden«, was übersetzt hieß: »Du hast kein Talent.« Meine Mutter riet mir: »Vielleicht solltest du parallel nach einer anderen Verdienstmöglichkeit Ausschau halten«, was bedeutete: »Verplempere deine Groschen nicht für so einen Mist.« Isabella meinte: »Es gibt bestimmt auch andere Sachen, die du gut kannst«, übersetzt: »Du kannst gar nichts und schon gar nicht das.« Und Baba – Baba erzählte ich erst mal nichts. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich mit so vielen abwertenden Blicken zu kämpfen, doch ich wollte einfach dieses Gefühl wieder spüren. Ich hörte auf meine Stimme, folgte meiner Bestimmung – und manchmal ist man auch dazu bestimmt, der Beste in etwas zu sein, das andere viel besser können. Denn es gibt zwei Sorten Menschen: solche, die mit einem überragenden Talent und mangelnden Glauben an sich selbst auf die Welt kommen, und solche mit mangelndem Talent und einem überragenden Glauben an sich selbst. Welche sind wohl die Stärkeren?
    Es war nicht schlimm, dass niemand an mich glaubte. Die meisten glaubten doch nicht einmal an sich selbst. Von Menschen, die ihre eigene Stimme nicht hörten, konnte ich nicht erwarten, dass sie meine hörten. Es gab nur einen, der von mir aus tiefstem Herzen überzeugt war: Mirac. In der Zwischenzeit war auch er seinem Traum gefolgt und mit einem Koffer sowie seinem Ersparten nach New York gegangen, ohne zu wissen, was er dort überhaupt tun wollte. Er wollte einfach nach New York, der Rest würde von selbst kommen, sagte er. Er rief mich fast täglich an, erzählte von der riesigen Stadt, den vielen Menschen, die wie Ameisen durch die Straßen liefen, nie schliefen und immer arbeiteten. Ein Brauner, ein Zigeuner, ein Traum – und wir waren dabei, unsere Träume zu leben.
3.  CDs verschicken
    Ich ließ fünfhundert CDs pressen, die auf den ersten Blick tatsächlich etwas hermachten. In letzter Sekunde fiel mir ein, dass jeder Rapper einen Künstlernamen hatte. Ich nannte mich Pitbull, weil ein Pitbull Biss hat, und Biss würde ich noch brauchen. Ich suchte mir die Adressen von Universal, Sony, Warner und diversen Underground-Labels zusammen – man wusste ja nie. Von einigen Labels hatte ich noch nie etwas gehört, aber ich musste nehmen, was kam. Am Ende hatte ich hundertzwölf Pakete fertig gemacht und schrieb hundertzwölf Briefe per Hand.
    Hallo,
    ich bin Wasiem Taha. Ich möchte Rapper werden. Ich bin bereit, alles dafür zu tun. Ich brauche nur eine einzige Chance. Sie werden es nicht bereuen. Ich werde Deutschland erobern.
    Mit freundlichen Grüßen, Wasiem
    Amani und ich frankierten hundertzwölf Umschläge, die wir gemeinsam zur Post brachten. Ich war bereit für den Anruf, der mein Leben verändern sollte.
4.  Warten
    Ich hasste es zu warten. Warten auf das Urteil des Richters, warten, dass Serkan endlich mit mir fertig war, warten, dass die Hiebe der Gürtelschnalle nicht mehr brannten, warten, dass Mama aufhörte zu weinen, warten, dass ein Tag endlich zu Ende ging. Warten war nie etwas Positives gewesen; meistens wartete ich darauf, dass etwas vorüberging. Ich hatte immer nur darauf gewartet, dass mein Leben endlich anfing, und ich wusste, damit stand ich nicht alleine da. Die Welt war voller Menschen, die darauf warteten, eines Tages aufzustehen und ein neues Leben beginnen zu können. Doch so einfach ist das nicht. Man wacht nicht eines Morgens auf, und alles ist anders. Das Leben legt einem viele Steine in den Weg, und sie rollen nicht von alleine fort. Man muss selbst anpacken, sie hochheben und wegstoßen. Ich war stolz auf mich, weil ich die ersten Steine zum Rollen gebracht hatte. Ich war in Bewegung, und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, es würde sich lohnen,

Weitere Kostenlose Bücher