Mata Hari
später intime Aufzeichnungen des Rittmeisters Marow zu veröffentlichen, um zu zeigen, daß dieser Mann, heute in einem Spital oder Kloster der Welt entrückt, nie aufgehört hat, an die Unschuld derjenigen zu glauben, die für ihn ein Engel war. Das weiß Massard wohl sehr genau, denn er spricht in seinem Buch von jenen, die betört oder verblendet hartnäckig die Schuld Mata Haris bezweifeln. »Solche Zweifel«, versichert er, »sind gänzlich unbegründet; wir werden das im weiteren Verlauf sehen.«
Einer der moralischen Beweise, auf die sich die Ankläger Mata Haris berufen, ist ihr stets lebhaft geäußerter Wunsch, in engste Verbindung mit Vertretern des Soldatenstandes zu gelangen. Sie selbst bekennt sich zu diesem Wunsch, als sie im Verlauf der Verhandlungen dem Vorsitzenden des Kriegsgerichts antwortet:
– Männer, die nicht der Armee angehörten, haben mich nie interessiert. Mein Gatte war Hauptmann. Der Offizier ist in meinen Augen ein höheres Wesen, ein Mann, der beständig ein Heldenleben führt, immer gerüstet gegen alle Abenteuer, gegen alle Gefahren. Verliebte ich mich, – dann immer in tapfere und zuvorkommende Männer des Heeres, ohne mich darum zu kümmern, welchem Lande sie angehörten, denn für mich bilden die Krieger nun einmal eine besondere Art hoch über allen anderen Menschen.
Als der Präsident des Kriegsgerichts, der in den Verhandlungen als einfacher und rechtschaffener Soldat auftritt, unfähig eines vorgefaßten Hasses, Widerwillens, Vorurteils, diese Worte hört, murmelt er:
– Tatsache ist, daß man Sie seit Ihrer Ankunft in Paris nur in Gesellschaft von Militärs sah. Besonders die Flieger schienen es Ihnen in hohem Maße angetan zu haben. Auch diese suchten Sie, schmeichelten, machten Ihnen den Hof. Wie gelang es Ihnen, den Fliegern, ohne daß diese sich über ihr Verhalten Rechenschaft ablegten, die Geheimnisse, die sie zu wahren hatten, zu entreißen? Das könnten uns wohl nur die Wände Ihres Schlafzimmers verraten ... Aber es ist ja erwiesen, daß Sie dem Feinde die Punkte bezeichnet haben, wo unsere Flugzeuge die Beobachtungsposten aufstellten zur Überwachung der Front beim Vorrücken. Auf diese Weise haben Sie eine große Zahl unserer Soldaten in den Tod geschickt.
– Ich leugne es nicht, antwortet sie, als ich im Feldlazarett war, mit dem Chef der deutschen Spionage, damals in Holland, fortgesetzt korrespondiert zu haben. Ich kann doch nichts dafür, daß er diese Funktion ausübte. Aber niemals habe ich mit ihm vom Kriege gesprochen, ihm auch nichts darauf Bezügliches berichtet. Mata Hari gerät bis jetzt nicht aus der Fassung, trotz der Schwere der Anschuldigungen, die man ihr aufbürdet. Ihre Ruhe wirkt auf die Anwesenden verwirrend. Nicht das geringste Zittern in ihrer Stimme, nicht die leiseste Blässe auf ihrem Gesicht. Kerzengerade, sogar ein wenig schroff, steht sie da und scheint bisweilen sich gedemütigt zu fühlen durch den Ton des Anklägers, wenn er indiskrete Fragen an sie richtet. Der hartnäckige Zweifel ihrer Richter, sobald es sich um Summen handelt, die sie nicht als Spionengehalt, sondern als Preis für ihre Hingabe empfangen haben will, versetzt sie in Erregung. Dann werden ihre Blicke für Sekunden hart, haßerfüllt, verachtend. Ihre Gesten nehmen eine theatralische Grobheit an. »Alles ist studiert, erklügelt!« haben die gemurmelt, die sie in solch tragischen Augenblicken sahen. Prüft man aber die Szene aufmerksam, so ergibt sich, daß ihr Verhalten durchaus natürlich ist. So ist sie. Hat sie auch nur eine Ahnung von dem, was ihrer harrt, was ihrer harren könnte, von der Gefahr, in der sie steht? Zu Beginn wenigstens muß man unbedingt glauben: nein. Dieses geringschätzige Lächeln, womit sie mehrere Punkte der Anklagerede anhört, dieser Hochmut, womit sie den Ankläger unterbricht, diese Koketterie, womit sie die Falten ihres Rockes fallen läßt, wenn sie sich auf die Anklagebank setzt, dieser ganze Apparat, der den Kommandanten Massard außer Rand und Band geraten läßt und die Mitglieder des Kriegsgerichts vielleicht gegen sie verstimmt, ist die in dieser Situation unwiderstehlich hervorbrechende Offenbarung einer zweiten Natur, geboren in der Glut gesellschaftlicher Huldigungen. Standes-Berufsgewohnheiten, oder wie man's sonst nennt, werden schließlich krankhaft bei allen, die durch Lobhudelei und wachsenden Beifall eines Tages glauben, sie wären Gott weiß was für ein höheres Wesen.
Jedenfalls gibt auch Massard zu,
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