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Mata Hari

Mata Hari

Titel: Mata Hari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Gomez Carrillo
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ist wahr; aber man muß berücksichtigen, daß ich zu jener Zeit ohne Geld war. Das ist der einzige Grund, der mich trieb, Ihrem Lande meine Dienste anzubieten.
    Von allen Beweisen für die Schuld der Bajadere, die für Massard unwiderlegbar sind, erscheint mir ein einziger wirklich bedeutend, und das ist, ich gestehe es, dieser. Für alle übrigen, schwerwiegenden, heiklen Fragen findet Mata Hari eine Erklärung. Ihre Beziehungen zum Chef der deutschen Spionage? Liebeleien, nichts als Liebeleien. Das von einer Botschaft erhaltene Geld? Eine Bezahlung für sie als Geliebte. Die Richter können das albern finden. Darauf kommt es wenig an. So lange ein Zweifel besteht, muß das der Angeklagten nur nützen. Aber diesmal, diesmal allein, ist kein Zweifel mehr möglich: Mata Hari gesteht, daß sie eine Spionin war. Ob auf Rechnung Frankreichs oder auf Rechnung Deutschlands, dieser Unterschied ist für eine Holländerin, moralisch genommen, gleich Null. Von dieser schrecklichen Minute an wird uns Massard weniger grausam, weniger parteiisch erscheinen.
    Sehr höflich, gleichsam im Tone der Entschuldigung, daß er an eine Dame so fatal zudringliche Fragen zu richten habe, setzt Oberst Semprou das Verhör fort:
    – Auf welche Weise gedachten Sie sich Frankreich nützlich zu machen?
    – Durch Ausnützung meiner Beziehungen zugunsten dieses Landes, antwortet Mata Hari. So habe ich bereits bald nach Beginn der Feindseligkeiten dem Leiter der zweiten Abteilung im Generalstab die genauen Punkte an der marokkanischen Küste genannt, wo die deutschen Unterseeboote Waffen ausluden; das schien mir wichtig.
    – Sehr interessant, tatsächlich, murmelt der Oberst Mornay, dem es bisher nicht immer gelang, seine Ungeduld und seine schlechte Laune zu zügeln. Dann fährt er mit erhobener Stimme fort:
    – Die Punkte, die Sie nannten, konnten Sie nicht kennen, ohne mit den Deutschen in Verbindung zu sein.
    Verwirrt versucht die Tänzerin das Unerklärliche damit zu erklären, daß sie versichert, die Kenntnis der besagten Punkte hätte sie vom Hörensagen auf einem Diplomatenbankett bei einem großen Fest, sie erinnere sich nicht mehr wo.
    – Schließlich, sagt sie, bin ich nicht Französin, ich habe keine Gewissenspflicht gegen dieses Land ... Meine Dienste waren nützliche Dienste; das ist alles, was ich zu erklären habe ... Ich bin nur ein armes Weib, gehetzt von wenig artigen Offizieren, die mich gern durch ein Geständnis nie begangener Vergehen aus meinem Munde verderben möchten.
    Und mit schneidender Stimme, verzerrten Lippen schreit sie und deutet auf Mornay.
    – Dieser Mensch ist ein Schuft!
    – Mäßigen Sie sich, sagt der Präsident, und erlauben Sie mir, wieder davon zu sprechen, was sich zu jener Zeit begab, wo Sie plötzlich freiwillig Ihre Dienste der französischen Spionage anboten. Als Hauptmann Ledoux Sie fragte, was Sie tun könnten, erboten Sie sich als Holländerin nach Belgien zu gehen, um unseren Agenten dort Instruktionen zu überbringen. Der Hauptmann gab Ihnen einen verschlossenen Brief für einen unserer Agenten, und Sie schifften sich angeblich nach England ein. Von dort sollten Sie zunächst nach Holland und von dort so schnell als möglich nach Belgien reisen. Aber Sie gingen weder nach Holland noch nach Belgien, sondern schnurstracks nach Spanien. Das hinderte Sie jedoch nicht, von dem Brief, den man Ihnen anvertraut hatte, Gebrauch zu machen. Erinnern Sie sich auf welche Weise?
    Die Angeklagte schweigt.
    – Wissen Sie nicht mehr, was Sie mit dem Brief gemacht haben?
    – Nein, antwortete die Angeklagte tonlos.
    – Also, drei Wochen nach Ihrer Abreise von Paris wurde dieser Agent, dessen Namen Sie ausgeplaudert hatten, von den Deutschen in Brüssel füsiliert.
    An diesem Punkt des Prozesses angekommen, zeigt uns Massard mit den Folgerungen einer starren Logik, daß wir uns vor einem greifbaren Beweis für die Schuld der Bajadere befänden. Tatsächlich unterstreichen ihr Stammeln, ihr Schweigen, ihr plötzliches Auffahren und ihre eigenen Zugeständnisse ihre Vergehen.
    Und doch gibt es auch hier etwas, das uns noch im Zweifel und in völligem Geheimnis läßt. Diese Frau, bedenken wir das wohl, leugnet nicht, ihre Dienste der französischen Spionage angeboten zu haben. Was mehr ist: sie steigt bis zu verbrecherischer Bestechlichkeit herab und beruft sich nur auf Geldsorgen als einzige Entschuldigung dafür. Aber das Wahrscheinlichere ist, daß sie sich weder aus Bedrängnis noch aus Habgier, sondern

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