Mathias Sandorf
zu mischen, was weiter keine Aufmerksamkeit erregte. Kap Matifu verbarg sich, so gut er konnte, hielt sich aber in der Nähe, um dem ersten Zeichen Folge zu leisten.
Sarcany und die Fremde glaubten sich schon dadurch, daß sie arabisch sprachen, gesichert, in der Voraussetzung, daß hier Niemand diese Sprache verstehen würde.
Sarcany und die Marokkanerin hatten sich in eine sehr dunkle Ecke zurückgezogen. (S. 247.)
Sie täuschten sich, denn Doctor Antekirtt war zugegen. Ihm, der mit allen Idiomen des Orients und Afrikas vertraut war, entging nicht ein einziges Wort von der Unterhaltung.
»Du hast also meine Depesche in Syrakus erhalten? fragte die Marokkanerin.
Cattaro.
– Ja, Namir, antwortete Sarcany, und ich bin gleich am folgenden Tage mit Zirone aufgebrochen.
– Wo ist Zirone?
– In der Nähe von Catania, wo er seine neue Bande sich zusammenstellt.
– Du mußt morgen in Ragusa sein und sofort zu Silas Toronthal gehen, Sarcany.
– Ich werde dort sein und mit ihm reden. Du hast Dich also nicht getäuscht, Namir? Es war Zeit, daß ich kam?
– Ja, die Tochter des Banquiers…
– Die Tochter des Banquiers! wiederholte Sarcany in einem so eigenartigen Tone, daß es den Doctor wider Willen kalt überlief.
– Ja… seine Tochter! wiederholte Namir.
– Wie? Sie erlaubt sich ihr Herz sprechen zu lassen und ohne meine Einwilligung? fragte Sarcany ironisch.
– Das überrascht Dich, Sarcany. Und doch ist es mehr als gewiß. Du wirst aber noch mehr überrascht sein, wenn ich Dir gesagt haben werde, wen Sarah Toronthal heiraten will.
– Irgend einen ruinirten Edelmann, der sich mit Hilfe der Millionen des Vaters wieder arrangiren will.
– Stimmt, meinte Namir, einen jungen Mann von edler Abkunft, doch ohne Vermögen.
– Und dieser Unverschämte heißt?…
– Peter Bathory!
– Peter Bathory! rief Sarcany. Peter Bathory will Sarah Toronthal heiraten?
– Beruhige Dich, Sarcany, beschwichtigte Namir den Gefährten. Daß die Tochter von Silas Toronthal und der Sohn Stephan Bathory’s sich lieben, ist kein Geheimniß mehr für mich. Vielleicht aber weiß es Silas Toronthal noch nicht.
– Er sollte es nicht wissen? fragte Sarcany.
– Nein, und übrigens würde er nie seine Einwilligung geben…
– Ich weiß gar nichts, antwortete Sarcany. Silas Toronthal ist zu Allem fähig… selbst dazu, seine Einwilligung zu dieser Heirat zu geben, nur um sein Gewissen zu beschwichtigen, falls dasselbe etwa nach fünfzehn Jahren wieder zu Kräften gekommen sein sollte…. Ich bin glücklicherweise noch da, um ihm sein Spiel zu verderben, morgen schon bin ich in Ragusa.
– Gut! meinte Namir, die einen gewissen Einfluß auf Sarcany auszuüben schien.
– Die Tochter von Silas Toronthal soll keinem Anderen als mir gehören verstehst Du, Namir? Mit ihrer Hilfe werde ich mein Vermögen wieder zurechtflicken.«
Der Doctor hatte hiermit Alles gehört, was er wissen wollte. Was Sarcany und die Fremde sich nun noch zu erzählen hatten, konnte ihm ziemlich gleichgiltig sein.
Ein Schurke, der das Recht hatte, sich aufzudrängen, beanspruchte die Tochter eines zweiten Schurken. Gott selbst intervenirte bei dem Werke menschlicher Gerechtigkeit. Es war nun nichts mehr für Peter Bathory zu befürchten, den ein solcher Nebenbuhler jetzt aus dem Felde schlagen wollte. Es war nicht mehr von Nöthen, ihn nach Cattaro zu entbieten, namentlich unnöthig, sich des Mannes zu bemächtigen, der die Ehre beanspruchen wollte, der Schwiegersohn von Silas Toronthal zu werden.
»Mögen diese Spitzbuben sich nur ruhig miteinander verbinden und eine Familie bilden, sagte sich der Doctor. Wir werden ja sehen!«
Er zog sich zurück und gab Kap Matifu ein Zeichen, ihm zu folgen.
Kap Matifu, der nicht gefragt hatte, warum er den Passagier der »Saxonia« aufheben sollte, fragte jetzt auch nicht, warum er auf diese Entführung verzichten mußte. ‘
Am nächsten Tage, dem 10. Juni, öffneten sich in der achten Abendstunde die Thüren des großen Salons im Hotel des Stradone in Ragusa und ein Diener meldete mit lauter Stimme:
»Herr Sarcany!«
Siebentes Capitel.
Verwickelungen.
Vor vierzehn Jahren hatte Silas Toronthal Triest verlassen und in Ragusa, in dem prächtigen Hotel am Stradone Wohnung genommen. Als Dalmatiner war es nur natürlich, daß er daran gedacht hatte, nach der Aufgabe seines Geschäftes sich in seinem Heimatlande niederzulassen.
Man hatte Wort gehalten und das Geheimniß der Verräther
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