Mathias Sandorf
gehütet. Der Preis für den Verrath war ihnen prompt ausbezahlt worden. Aus dieser That war dem Banquier und Sarcany, seinem einstigen Agenten in Tripolis, ein bedeutendes Vermögen erwachsen.
Nach der Hinrichtung der beiden Verurtheilten im Gefängnisse von Pisino, nach der Flucht des Grafen Sandorf, der seinen Tod in den Fluthen der Adria gefunden hatte, war das Urtheil durch die Confiscation ihrer Güter vervollständigt worden. Von dem Hause und dem kleinen Landgute, welche Ladislaus Zathmar gehörten, war nichts übrig geblieben, nicht einmal so viel, um dem alten Diener die materiellen Sorgen zu erleichtern. Von dem Besitze Stephan Bathory’s war ebenfalls nichts mehr vorhanden, da er, ohne Vermögen, nur von dem Ertrage seines Unterrichtes lebte. Aber Schloß Artenak und seine Dependenzen, die benachbarten Minen, die Forste auf den nördlichen Abhängen der Karpathen, bildeten für den Grafen Mathias Sandorf einen beträchtlichen Besitz. Aus diesen Gütern wurden zwei Theile gebildet; der eine, der öffentlichen Jurisdiction unterstellt, diente dazu, die Angeber zu belohnen; der andere, unter Sequester gestellt, sollte für die Erbin des Grafen bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahre verwaltet werden. Falls dieses Kind vor diesem Alter sterben sollte, hatte ihr Antheil an den Staat zurückzufallen.
Die beiden Viertel, welche den Verräthern zu Theil geworden waren, hatten mehr als anderthalb Millionen Gulden betragen, von denen sie nach Belieben Gebrauch machen konnten.
Vorerst dachten die Genossen daran, sich zu trennen. Sarcany lag wenig daran, in der Nähe von Silas Toronthal zu sein. Dieser bestand darauf, in keiner Weise mit seinem früheren Agenten in Verbindung zu bleiben. Sarcany reiste also von Triest ab, gefolgt von Zirone, der ihn im Unglücke nicht verlassen hatte und ihn im Glücke nun gewiß nicht verlassen wollte. Beide verschwanden und der Banquier hörte nicht mehr von ihnen reden. Wohin waren sie gegangen? Jedenfalls in eine große Stadt Europas, dort wo Niemand daran denkt, weder dem Herkommen der Leute nachzuforschen, vorausgesetzt, daß sie reich sind, noch der Quelle des Vermögens, vorausgesetzt, daß sie es vergeuden, ohne zu rechnen. Kurz, es war in Triest nicht mehr die Rede von den Abenteurern, wo sie schließlich auch nur von Silas Toronthal gekannt worden waren.
Der Banquier athmete nach ihrer Abreise wieder auf. Er glaubte nun nichts mehr zu fürchten zu haben von einem Manne, der ihn nach gewissen Seiten hin im Garne hielt und diese Situation stets ausnützen konnte. Wenn Sarcany für den Augenblick auch reich war, so war doch kein Verlaß auf solchen Verschwender und es anzunehmen, daß er sich wieder an seinen einstigen Mitschuldigen machen würde, sobald er sein Vermögen wieder vergeudet hatte.
Sechs Monate später liquidirte Silas Toronthal seine Geschäfte, nachdem er die Differenzen seines stark bloßgelegten Hauses ausgeglichen hatte, und er verließ Triest, um sich endgiltig in Ragusa anzusiedeln. Obwohl er keine Indiscretion des Gouverneurs zu befürchten hatte, welcher der Einzige war, der es wußte, welche Rolle er bei der Aufdeckung der Verschwörung gespielt hatte, so war das doch gerade genug für einen Mann, der nichts von seinem Ansehen einbüßen wollte und dem sein Vermögen erlaubte, ein Leben auf großem Fuße überall da zu führen, wo er sich niederzulassen wünschte.
Vielleicht wurde dieser Entschluß, Triest zu verlassen, auch noch durch einen besonderen Umstand vorgeschrieben – – auf den später zurückgekommen werden muß – von dem allein Frau Toronthal und er Kenntniß hatten. Es war derselbe Umstand, der ihn – ein einziges Mal nur – mit jener Namir zusammenführte, deren Bekanntschaft mit Sarcany wir bereits gesehen haben.
Ragusa also wählte der Banquier zu seinem neuen Wohnsitze. Er hatte diese Stadt in frühester Jugend verlassen, da er weder Eltern noch Familie besaß. Man erinnerte sich seiner nicht mehr, und so war es ein Fremder, der in die Stadt einzog, woselbst er seit fast vierzig Jahren nicht wieder aufgetaucht war.
Dem reichen Manne, der unter solchen Umständen sich einführte, bereiteten die höheren Kreise Ragusas natürlich einen freundlichen Empfang. Sie kannten von ihm nur das Eine, daß er in Triest eine hervorragende Stellung bekleidet hatte. Der Banquier sachte und erstand ein Hotel in dem aristokratischen Theile der Stadt. Er führte einen großen Haushalt mit einer Schaar Diener, die sämmtlich in Ragusa erst
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