Mathias Sandorf
gewordener Stimme zu ihr sagte:
»Nein, Du bist nicht mehr allein – da der Tod Deiner Mutter an unseren Projecten nichts hat ändern können.
– Welche Projecte sind das? fragte Sarah.
– Das Ehebündniß, welches Du vergessen zu haben heuchelst, welches Herrn Sarcany zu meinem Schwiegersohne machen wird.
– Sind Sie auch dessen ganz gewiß, daß diese Heirat Herrn Sarcany zu Ihrem Schwiegersohne machen wird?«
Die Drohung war diesmal eine so direct ausgesprochene, daß Silas Toronthal sich erhob, um das Zimmer zu verlassen, weil er seine Verwirrung zu verbergen wünschte. Auf ein Zeichen Sarcany’s blieb er. Dieser wollte bis ans Ende gehen, er wollte durchaus wissen, woran er wäre.
»Hören Sie mich, mein Vater, denn es ist das letzte Mal, daß ich Ihnen diesen Namen gebe, fuhr das junge Mädchen fort. Nicht mich wünscht Herr Sarcany zu heiraten, sondern mein Vermögen, auf das ich von heute an keinen Anspruch mehr habe. Wie groß auch seine Unverfrorenheit ist, er wird es nicht wagen, mich Lügen zu strafen. Da er mich daran erinnert, daß ich dieser Heirat zugestimmt hatte, so soll auch meine Antwort schnell gegeben sein. Ja! Ich fühlte mich verpflichtet, mich selbst zum Opfer zu bringen, als ich noch glauben konnte, daß die Ehre meines Vaters in dieser Frage auf dem Spiele stand; mein Vater aber, das wissen Sie sehr wohl, kann in diesen schändlichen Handel nicht hineingezogen werden! Wenn Sie also Herrn Sarcany zu bereichern wünschen, so geben Sie ihm mein Vermögen…. Mehr verlangt er nicht.«
Das junge Mädchen war aufgestanden und wendete sich der Thüre zu.
»Sarah, rief Silas Toronthal, der sich ihr in den Weg stellte, in Deinen Worten… liegt so viel Zusammenhangloses, daß ich sie einfach nicht verstehe… Du verstehst sie wahrscheinlich selbst nicht… Ich bin versucht, mich zu fragen, ob nicht vielleicht der Tod Deiner Mutter…
– Meiner Mutter… ja! Es war meine Mutter, dem Gefühle nach! murmelte das junge Mädchen.
–… Ob nicht der Schmerz Deine Vernunft getrübt hat, fuhr Silas Toronthal, der nur noch sich selbst reden hörte, fort. Ja, ob Du nicht etwa toll geworden bist…
– Toll!
– Was ich beschlossen habe, geschieht! Ehe sechs Monate vorüber sind, bist Du Sarcany’s Frau!
– Niemals!
– Ich werde Dich zu zwingen wissen!
– Und mit welchem Recht? fragte das junge Mädchen mit einer Geberde des Unwillens, die ihr schließlich entschlüpfte.
– Mit dem Rechte meiner väterlichen Gewalt!
– Sie! Sie!… Sie sind gar nicht mein Vater und ich heiße nicht – Sarah Toronthal!«
Der Banquier, der auf diese Worte nichts zu erwidern wußte, wich zurück und das junge Mädchen ging, ohne auch nur den Kopf zu wenden, aus dem Salon in ihr Zimmer zurück.
Sarcany, der Sarah aufmerksam während der ganzen Unterredung beobachtet hatte, war von dem Ausgange derselben, den er hatte kommen sehen, keineswegs überrascht. Er hatte ihn bereits geahnt. Was er gefürchtet, war eingetreten. Sarah wußte, daß zwischen ihr und der Familie Toronthal kein verwandtschaftliches Band existirte.
Der Banquier war von dem unvorhergesehenen Schlage um so empfindlicher getroffen worden, als er nicht mehr genug Herr seiner selbst gewesen war, um ihn kommen zu sehen.
Sarcany ergriff nun das Wort und mit seiner üblichen Knappheit entwarf er ein Bild der Situation. Silas Toronthal begnügte sich, ihm zuzuhören. Er mußte ihm in Allem zustimmen, denn die Folgerungen seines einstigen Genossen wurden von einer unbestreitbaren Logik dictirt.
»Es ist nicht mehr darauf zu rechnen, daß Sarah jemals, freiwillig gewiß nicht, dieser Heirat zustimmt, sagte er. Aus den Gründen indessen, die wir kennen, müßte die Heirat jedenfalls vollzogen werden. Was weiß sie von unserer Vergangenheit? Nichts, denn sonst hätte sie etwas gesagt. Sie weiß nur, daß sie Ihre Tochter nicht ist. Das ist Alles. Kennt sie ihren Vater? Keine Spur, denn sonst wäre es der erste Name gewesen, den sie uns ins Gesicht geschleudert hätte. Ist sie seit Langem von ihrer wirklichen Stellung Ihnen gegenüber unterrichtet? Nein, wahrscheinlich hat Frau Toronthal erst kurz vor ihrem Tode darüber mit ihr gesprochen. Doch was nicht weniger wahrscheinlich, ist, daß sie Sarah nicht gesagt hat, was sie thun soll, um dem Manne den Gehorsam zu verweigern, der nicht ihr Vater ist.«
Silas Toronthal billigte durch ein Nicken mit dem Kopfe die Beweisführung Sarcany’s. Man weiß, daß dieser sich weder über die Art, wie
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