Mathias Sandorf
weil er mit ihr von Carpena sprechen wollte, von dem er jetzt Alles zu befürchten hatte.
Diese Unterredung war die erste, welche sie seit Sarcany’s Ankunft in Gibraltar mit einander hatten, sie sollte auch die einzige sein. Sie wurde in arabischer Sprache geführt.
Sarcany stellte zunächst eine Frage und die Antwort, die er empfing, betrachteten Beide jedenfalls als eine überaus wichtige, weil ihre Zukunft davon abhing.
»Sarah?… fragte Sarcany.
– Sie ist in Tetuan gut aufgehoben, erwiderte Namir, in dieser Beziehung kannst Du beruhigt sein.
– Auch während Deiner Abwesenheit?
– Während meiner Abwesenheit ist das Haus einer alten Jüdin anvertraut, die es nicht einen Augenblick verlassen wird. Sie befindet sich wie in einem Gefängnisse; Niemand kommt zu ihr hinein, Niemand vermag zu ihr zu dringen. Sarah weiß übrigens nicht, daß sie sich in Tetuan befindet, sie weiß auch nicht, wer ich bin, nicht einmal, daß sie in Deiner Gewalt ist.
– Du sprichst doch noch immer mit ihr von der Heirat?
– Ja, Sarcany, antwortete Namir. Ich lasse es nicht dazu kommen, daß sie sich von der Idee, Deine Frau zu werden, entwöhnt, und sie wird Deine Frau werden.
– Sie muß, Namir, sie muß es, um so eher, als das Vermögen von Toronthal jetzt kein beträchtliches mehr ist…. Das Spiel war dem armen Silas nie recht hold!
– Du wirst ihn nicht mehr brauchen, Sarcany, denn Du wirst reicher werden als Du jemals gewesen bist.
– Ich weiß wohl, Namir, doch der äußerste Termin, an dem meine Heirat mit Sarah vollzogen werden muß, naht heran. Ich brauche eine freiwillige Einwilligung ihrerseits, und wenn sie sich weigert…
– So werde ich sie zwingen, sich zu unterwerfen, antwortete Namir. Ich werde ihr ihre Einwilligung entreißen…. Du kannst Dich auf mich verlassen, Sarcany.«
Es wäre schwer gewesen, sich eine entschlossenere, wildere Physiognomie vorzustellen, als sie die Marokkanerin zur Schau trug, während sie so sprach.
»Schön, Namir! sagte Sarcany befriedigt. Fahre fort, gut aufzupassen. Ich werde nicht ermangeln, Dir zu Hilfe zu kommen.
– Liegt es nicht in Deiner Absicht, daß wir Tetuan bald verlassen? fragte die Marokkanerin.
– Nein, so lange ich nicht dazu gezwungen werde, gewiß nicht, denn dort kennt und kann Niemand Sarah kennen. Wenn die Ereignisse mich nöthigen werden, Euch von dort fortziehen zu lassen, so werde ich Dich schon rechtzeitig benachrichtigen.
– Und nun sage mir, Sarcany, warum hast Du mich nach Gibraltar kommen lassen?
– Weil ich mit Dir über gewisse Dinge sprechen muß, die man mündlich besser erörtert als in einem Briefe.
– Erzähle, Sarcany, und wenn es sich um einen Befehl handelt, den ich ausführen soll, so wird er ausgeführt, darauf kannst Du rechnen.
– Ich will Dir sagen, wie ich stehe, antwortete Sarcany. Frau Bathory ist verschwunden und ihr Sohn ist todt. Ich habe also von Seiten dieser Familie nichts mehr zu befürchten. Frau Toronthal ist todt und Sarah in meiner Macht. Also auch auf dieser Seite kann ich ruhig sein. Von den anderen Personen, die meine Geheimnisse kennen oder gekannt haben, ist der Eine, Silas Toronthal, mein Genosse, er steht völlig unter meiner Botmäßigkeit; der Andere, Zirone, ist bei der letzten Expedition in Sicilien umgekommen. Also von allen denen, die ich soeben genannt habe, kann Keiner sprechen und wird Keiner sprechen.
– Wen fürchtest Du also? fragte Namir.
– Ich fürchte einzig und allein die Einmischung zweier Individuen, von denen der Eine einen Theil meiner Vergangenheit kennt und von denen der Andere sich in mein jetziges Leben mehr zu mischen scheint, als es mir lieb sein kann.
– Der Eine ist Carpena?… fragte Namir.
– Ja, antwortete Sarcany. Und der Andere ist dieser Doctor Antekirtt, dessen Beziehungen zu der Familie Bathory in Ragusa mir von Anfang an verdächtig erschienen sind. Ich habe auch von Benito, dem Herbergsvater von Santa Grotta vernommen, daß dieser Mann, der Millionen besitzt, mit Hilfe eines gewissen, in seinen Diensten stehenden Mannes, Namens Pescador, Zirone in einen Hinterhalt locken wollte. Der Zweck dieser Unternehmung konnte doch nur der sein, sich Zirone’s zu bemächtigen – da man mich nicht bekam – um ihm seine Geheimnisse abzuzwingen.
– Das klingt nur zu wahrscheinlich, sagte Namir. Mehr als je mußt Du jetzt diesem Doctor Antekirtt mißtrauen.
– Vor allen Dingen ist es nöthig, stets zu wissen, was er thut, und namentlich, wo er sich
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